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Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Titel: Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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nächsten Moment, als Flück Luft holte, um Gegensteuer zu geben: »Nein, Herr Flück, das Problem bei den ARS ist im Moment lediglich, dass ihr Zinssatz auf Auktionen festgelegt wird, und im Rahmen der aktuellen Verwerfungen an den Finanzmärkten ist es halt leider so, dass gelegentlich kein Bieter auf den Auktionen auftaucht, und eine Auktion ohne Bieter, nun, das ist etwa so wie ein Tennismatch ohne Ball, nicht wahr? Wenn bei einem Tennismatch der Gegner nicht auftaucht, dann gewinnt der anwesende Spieler. Bei den ARS ist das etwas anders, da steigt dann der Zinssatz für diese Obligation, was ja eigentlich gut für Sie ist, Herr Flück. Ähnlich ist es mit den Demand Notes, die dann«, Äbersold kramte in seinem Hirn einen Moment nach dem richtigen Ausdruck, »in Bank Bonds umbenannt werden, was aber eigentlich an der Werthaltigkeit nichts ändert.«
    Gute Frage, dachte Äbersold, aber natürlich musste er Flück entschieden widersprechen: »Das waren keine kranken Hirne, Herr Flück, die sich das ausgedacht haben, sondern die gute Idee war und ist, dass mit einer marktabhängigen Festlegung des Zinssatzes – und die Auktion ist dann sozusagen der Markt – mehr Dynamik und Flexibilität in das doch eher starre Anlagemodell einer Obligation gebracht wurde, und wir sind uns doch hoffentlich einig, dass der Markt normalerweise der beste Regulator für alles ist, Angebot und Nachfrage, Sie verstehen.«
    Die nächste Frage hatte Äbersold befürchtet, aber er stellte sich ihr wie ein Mann: »Es ist tatsächlich so, wie ich schon ausführte, dass in diesem konkreten Zeitpunkt bedauerlicherweise die Nachfrage nach ARS oder Demand Notes etwas, nun ja, gelähmt ist, und wo keine Nachfrage herrscht, gibt es auch keinen Markt. Aber nein, Herr Flück, wenn ich dieses Beispiel wieder aufnehmen darf, wenn Sie der Besitzer eines Tennisballs sind, der im Augenblick nicht verkauft werden kann, weil keine Nachfrage nach Tennisbällen da ist, dann verliert Ihr Ball nicht seinen Wert, denn der nächste Tennismatch kommt ja bestimmt, um im Bild zu bleiben. Wie bitte? Also ich dachte doch, ich hätte mich klar genug ausgedrückt, im Moment können wir leider den kleinen Teil Ihres Portefeuilles, der in ARS und Demand Notes investiert ist, nicht veräußern, aber der Buchwert bleibt natürlich der gleiche, Sie haben keinen Rappen Verlust gemacht, Herr Flück. Gerne dokumentiere ich Sie da ausführlicher, wenn Sie das wünschen, aber jetzt habe ich dann einen wichtigen Termin mit unseren Analysten, ja, nichts zu danken, gern geschehen.«
    Äbersold legte aufatmend den Hörer auf, dachte, Flück ist ein ARS und ein Arsch, und holte das Tennisrack aus dem Büroschrank, denn etwas Entspannung hatte er sich schließlich verdient. Das kurbelt ja auch die Nachfrage nach Tennisbällen an, kicherte Äbersold, und dann klappt es sicher auch wieder mit den ARS und Demand Notes.
Neunundfünfzig
    Hinderli war sich völlig sicher, dass er einen weiteren Arbeitstag wie seinen ersten nicht überleben würde. Nach dem Telefonat mit Moskauinform glaubte Hinderli noch fester an göttliche Vorhersehung; er hatte sein Büro kurz verlassen und in der Pfarrkirche St. Florin so viele Kerzen angezündet, wie es gerade noch möglich war, ohne allzu großes Aufsehen zu erregen.
    Dann saß er wieder an seinem Schreibtisch und ging die ersten paar Mal fast an die Decke, als das Telefon klingelte. »Fürschtliche Effektenbank, Hinderli«, sagte er dennoch tapfer in den Hörer.
    Aber Gott sei Dank, es waren alles normale Kunden gewesen, beunruhigte Steuerhinterzieher, besorgte Familienväter, die wissen wollten, ob denn wenigstens ihr Geld weiterhin sicher eingebunkert sei und niemand etwas von den monatlichen Überweisungen an den Escortservice Madame erfahren könne. Dann die üblichen Anfragen, ob man in Öl investieren solle, in Wasser, oder besser gleich in Gold oder gar in eine Schweizer Großbank.
    Langsam spürte Hinderli, wie sich Ruhe und Sicherheit in ihm ausbreitete, der Herr versucht, aber der Herr führt dich auch auf sicheren Wegen und hält seine schützende Hand über dich, dachte Hinderli dankbar, und wer weiß, vielleicht ist es ja auch der Fürscht, der seinen Diener nicht aus den Augen verliert, schließlich hängt ja ein Ölgemälde aus seiner Sammlung an meiner Bürowand, das muss doch ein Zeichen sein, dachte Hinderli fromm.
    »Fürschtliche Effektenbank, Hinderli«, sagte er am späteren Nachmittag ein weiteres Mal.
    Doch plötzlich saß

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