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Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Titel: Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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man ja nicht vorwerfen, dass er dabei seine Finger im Spiel gehabt hatte. Und dann das, Verkehrsunfall, Rysch hatte Flügel und eine Harfe gefasst, wie Hinderli bei sich dachte, während er sich mit Trauermiene ins Kondolenzbuch eintrug, und dann hatte Hinderli auf den erlösenden Anruf gewartet, der auch tatsächlich kam.
    »Kein Problem«, hatte Hinderli mehrfach geantwortet, »bei aller Tragik, das ordentliche Geschäft muss ja weitergehen, das sind wir unseren Kunden schuldig, da arbeite ich mich schnell ein, Sie werden es nicht bereuen, ich werde mich dem in mich gesetzten Vertrauen würdig erweisen.«
    Hinderli betrat mit Siegerblick sein neues Büro, drei Fenster statt zwei, Schreibtisch und Besprechungstisch statt Schreibtisch mit Besprechungsecke, endlich eine Zimmerpflanze neben dem Papierkorb, Flachbildschirm, Kunst an der Wand, zwar ein eher grauenhaftes Ölgemälde einer Jagdszene, aber sicherlich aus der fürstlichen Sammlung, da fiel ein huldvoller Glanz auf Hinderlis leicht gerötetes Gesicht.
    Was wird wohl meine erste Amtshandlung sein, fragte sich Hinderli, Kaffee bestellen, mich nach meinem neuen Parkplatz erkundigen, einfach wichtig dasitzen? Das dezente Klingeln des Telefons nahm ihm diese schwierige Entscheidung ab. »Fürschtliche Effektenbank, Hinderli«, sprach Hinderli mit stolzgeschwellter Brust in den Hörer.
    »Hier ist Iwan«, antwortete eine dunkle Stimme mit schwerem slawischen Akzent, »Identifikation Bernsteinzimmer473, Kontonummer 762/901, Sie hären?« Davon hatte Hinderli immer geträumt, als er im Backoffice ohne Kundenkontakt dämliche Charts zusammenstellte, Geburtstagslisten nachführte und Kundennotizen in die dafür vorgesehenen Tabellen übertrug. Mein erster Kunde, jubilierte Hinderli, bis ihn die Stimme aus seinen Träumen riss: »Sie hären, Sie noch da?«
    »Aber natürlich«, flötete Hinderli, während er die knackscharfe Darstellung der Eingabe, die er schnell reingetöckelt hatte, auf seinem neuen Flachbildschirm bewunderte. »Identifikation positiv, was kann ich für Sie tun?« Hinderli achtete darauf, das k und das ch kräftig krachen zu lassen, das, wie vieles andere, hatte er bei Rysch abgeguckt.
    »Ich habe Scheißprobläm, Rysch konnte nicht lösen, jetzt Sie da, Sie sicher können läsen, da?«
    »Aber natürlich«, sagte Hinderli, hat eine etwas raue Sprache, dieser Iwan, aber bei knapp vierhundert Millionen kann er sich auch das leisten, dachte er dabei.
    »Rysch Ihnen noch gesagt, was für Probläm ich habe?«
    »Leider nein, Herr Iwan«, erwiderte Hinderli, »aber Sie können mir da ganz vertrauen, es gibt wohl kein Problem, das wir zusammen nicht in den Griff kriegen würden.«
    »Sähr gut«, erwiderte Iwan, »härt sich gut an.« Aber als Iwan sein Problem schilderte, verschwand die leichte Röte aus Hinderlis Gesicht und machte einer fahlen Blässe Platz. Hinderli war sich plötzlich überhaupt nicht mehr sicher, ob das heute sein großer Tag war. Oder vielleicht nicht eher sein letzter.
Siebenundfünfzig
    »Aber ich bin mir nicht sicher, ob sich das machen lässt«, stammelte Hinderli mit leicht zittriger Stimme ins Telefon. Es hätte sein großer Tag werden sollen, der erste Tag am Platz von Rysch, der plötzlich vom Herrn abberufen worden war, Verkehrsunfall, davor sind auch die fürstlichen Untertanen in Vaduz nicht gefeit, nicht einmal Kundenbetreuer bei der Fürstlichen Effektenbank.
    Und gleich der erste Anruf, der Hinderli in seiner neuen Position ereilte, war von einem Russen, der sich Iwan nannte, aber sicher nicht so hieß, und sich fürchterlich darüber aufregte, dass seine Kundendaten beim letzten kleinen Datendiebstahl bei der Fürstlichen Effektenbank den Weg in die russische Presse gefunden hatten. Das alleine wäre ja höchstens etwas unangenehm gewesen, aber nun wollte der Russki doch tatsächlich, dass er, Hinderli, ihm ein offizielles Schreiben auf dem besten Briefpapier der Effektenbank zustellte, das versicherte, dass Iwan keinerlei Geschäftsbeziehungen nach Liechtenstein unterhielt und noch viel weniger auch nur einen müden Franken, keinen einzigen Euro und erst recht nicht einen lumpigen Rubel besaß. Und dann hatte Iwan noch klargestellt, dass es wohl nicht wirklich Gottes Wille gewesen war, dass Rysch inzwischen die Welt von ganz oben oder von weit unten betrachtete, je nach Auffassung.
    Hinderli lockerte sich seine Sonntagskrawatte, die er extra zur Feier des Tages angezogen hatte, und überlegte fieberhaft. Ich bin mir

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