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Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Titel: Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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konnten: Wie entwickelt sich der Börsenkurs der Firma Wunderlin wohl morgen? Oder übermorgen?
    Um einer Massenarbeitslosigkeit vorzubeugen, waren sie aber auf eine fast geniale Idee gekommen, das gestand ihnen Äbersold zu. Die Möglichkeiten für die Entwicklung des Börsenkurses der Firma Wunderlin waren ja überschaubar. Er steigt morgen, er fällt oder er bleibt stabil. Oder die Erde explodiert, und dann spielt das alles auch keine Rolle mehr. Und für so eine Antwort würde ja niemand viel Geld in die Hand nehmen, um eine ganze Horde von wohlbezahlten Wichtigtuern zu unterhalten.
    Also machen Analysten Folgendes. Sie kündigen an, sie gingen aufgrund ihrer tiefschürfenden Analyse davon aus, dass der nächste Quartalsabschluss der Firma Wunderlin ein deutliches Wachstum in der Höhe von mindestens 15 Prozent ausweisen werde, was natürlich zu einer Kurssteigerung führen müsse. Wenn die Firma Wunderlin ihnen tatsächlich diesen Gefallen tut, dann ist die Welt in Ordnung, allgemeines Schulterklopfen, überlegenes Kopfnicken, Champagnerkorken knallen.
    Vermeldet die Firma Wunderlin aber ein Wachstum von bloß zehn Prozent, was ja auch noch ganz anständig ist, dann müssten sich die Analysten eigentlich Asche aufs Haupt schütten, verzweifelt die Hände wringen und in ihre Computer treten. Tun sie aber nicht, kicherte Äbersold, denn am Ende des Tages sind sie schon clevere Kerlchen.
    Stattdessen verkünden die Analysten, beleidigter als zehn Leberwürste, dass die Firma Wunderlin, unfassbar, die Erwartungen der Analysten nicht erfüllt habe und deshalb, Gott straft sofort, mit einem Kursrückgang gerechnet werden müsse. Und, bingo, diese Prognose trifft dann tatsächlich auch immer ein, die Welt ist wieder in Ordnung, allgemeines Schulterklopfen, das Übliche halt. Wäre fast, grinste Äbersold, wie wenn ein Hellseher den Lotteriegewinn für morgen voraussagt, der nicht eintrifft, und er dann sagen könnte: Was, du hast nicht die richtigen Zahlen getippt, Versager? Da bist du aber selbst dran schuld, wie kannst du mir nur meine schöne Vorhersage versauen?
    Das Telefon klingelte auf Äbersolds Schreibtisch und riss ihn aus seinen Gedankengängen. Hätte ich auch vorhersagen können, dass das früher oder später passiert, seufzte Äbersold und griff zum Hörer: »Herr Pfanner, schön, wieder von Ihnen zu hören, wie geht’s, wie steht’s? Und die Frau Gattin? Fein, und was kann ich heute für Sie tun? Sie überlegen sich einen Ausbau Ihrer Investition im Ölsektor? Durchaus überlegenswert, keine Frage. Lassen Sie mich mal kurz einen Blick auf die neusten Erkenntnisse unseres Analystenteams werfen, kleinen Augenblick.«
    Äbersold legte den Hörer auf den Schreibtisch, streckte sich kurz durch, massierte sich für einen Moment den Nacken und setzte das Gespräch fort: »Danke, dass Sie gewartet haben, nun, wir gehen tatsächlich davon aus, dass sich die Hausse am Spotmarkt fortsetzen wird, bislang wurden ja alle Widerstandslinien durchbrochen. Aber die Entscheidung muss ich natürlich Ihnen überlassen, gerne dokumentiere ich Sie ausführlicher oder lasse Ihnen ein maßgeschneidertes Anlagepaket zusammenstellen, Herr Pfanner. Ist ja gut zu wissen, dass man auf ein so qualifiziertes Analystenteam wie unseres zurückgreifen kann, nicht wahr? Nichts zu danken, dafür sind wir doch da.« Wie ging schon wieder der nette Spruch, den er mal von einem cleveren Analysten gehört hatte? Genau, so ging der: Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert die Börse oder bleibt, wie sie ist.
Sechsundfünfzig
    Ein großer Tag für Alfons Hinderli, endlich hatte er es geschafft. Eigentlich hatte er schon fast die Hoffnung aufgegeben, wie einbetoniert saß dieser Rysch auf seiner Stelle bei der Fürstlichen Effektenbank. Zeigte weder Lust, endlich mal einen Karriereschritt zu machen, noch in die Frühpensionierung abzuzwitschern und die landschaftlichen Schönheiten Liechtensteins zu genießen.
    Hinderli hatte gebaggert und getrommelt, Überstunden ohne Ende geschoben, auf den ersten groben Schnitzer von Rysch gewartet, den Linienvorgesetzten mit Verbesserungsvorschlägen bombardiert, in seiner Freizeit alle erhältlichen Fortbildungen gemacht. Aber immer wieder war ihm bedeutet worden, dass man hier bei der Fürstlichen Effektenbank alles seinen ordentlichen Gang gehen ließ, ruhig, gemächlich, unaufgeregt, fürstlich halt. Selbst der gelegentliche Verlust von Kundendaten hatte keine große Aufregung ausgelöst, und Rysch konnte

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