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Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Titel: Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Zeyer
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auf 1875.- inkl. MWSt. geeinigt, den Text für die Einladungskarte für Wildingers Silberne Hochzeit hatte Huber noch als Bonus drauflegen müssen.
    Und jetzt das. »Aber diese Tschällänsch nehme ich an«, grinste Huber, denn er war sich ziemlich sicher, dass challenge Herausforderung bedeutete. Huber nahm den Telefonhörer in die Hand, sagte gewichtig: »Heute keine Anrufe, bitte«, während ihm das Freizeichen ins Ohr tutete, dann schaute er sich in seinem kleinen Büro, mehr konnte man auch für fünfhundert Franken Monatsmiete nicht erwarten, gewichtig um.
    »Meine Herren von der Taskforce, ich erwarte Ihre Vorschläge«, aber es wunderte Huber nicht, dass ihm niemand antwortete. Immer muss man alles selber machen, lachte Huber, na, dann wollen wir mal.
    Eine halbe Stunde später war sich Huber bewusst, dass er vielleicht doch ein Problem hatte, und nicht unbedingt ein schönes. »Herausfordernde Herausforderungen. Doppelte Leistung«, was soll denn der Quatsch?, dachte er, während es in seinem Mail-Eingang unaufhörlich bimmelte, denn EL&W bombardierte ihn mit Fact Sheets, Wordings, Trees, Manual Corporate Language und anderem Quark, das meiste auf Englisch, und da verstand Huber sowieso nur Bahnhof. Immerhin hatte er rechtzeitig gemerkt, dass »urgent, sign confidential agreement asap« bedeutete, dass er eine Vertraulichkeitserklärung virtuell unterschreiben sollte, »wollte im Meeting Taskforce nicht gestört werden, sorry, Assistentin hat Ihr Mail gerade in unseren Think Tank gereicht«, hatte er zurückgemailt.
    Aber der spätere Nachmittag war schon angebrochen, und außer vielen Kringeln, Herausforderung, Leistung, leisten, herausfordern, doppelt, verdoppelt, doppeldoppel, leistleist, raus rein, herausraus und ähnlichem Unsinn hatte Huber noch nichts zu Papier gebracht.
    »Brauchen erste Vorschläge bis 17.00 h«, hatte es in einem der letzten Mails geheißen, und es war schon fast vier. Huber geriet leicht ins Schwitzen, hier brauchte es einen Geniestreich, da war er sich ziemlich sicher. Da fiel ihm in höchster Not der Werbespruch ein, den er für Wildinger kreiert hatte: »Schrauben und mehr.« Das ist’s, dachte Huber und sprang aufgeregt von seinem abgewetzten Bürostuhl auf, das ist’s, natürlich.
    Er setzte sich wieder, verbrachte die meiste Zeit der verbleibenden Stunde damit, ein geschwollenes E-Mail zu verfassen, in dem es von Wortfeldern, Assoziationsketten anstoßen, Schweinwerfer richtig einstellen und Kunden dort abholen, wo sie sind, nur so wimmelte, sogar den Begriff core value hatte er im Internet gefunden, und fünf vor fünf setzte er fett, gesperrt, den Claimvorschlag auf eine Extrazeile: »Herausforderung und mehr! Leistung und mehr! EL&W!«
    »Beachten Sie die Verstärkung durch die drei Ausrufezeichen«, fügte er noch hinzu, kopierte seinen Absender rein und drückte auf die Send-Taste. Dann dislozierte Huber in »Ritas Bar« und bestellte Champagner, »Lokalrunde für alle«, kündigte er großspurig an, und Rita nickte ihm anerkennend zu, das hatte Huber noch nie getan.
Neunundsiebzig
    »Habe Feedback von der Claim-Agentur«, hatte Fräulein Wichtig mit roter Flagge an alle Mitglieder der Taskforce Rebranding bei Elmore, Little & Willis gemailt, »Meetingroom 2.45 reserviert«, und alle Empfänger hatten aufgeschnauft, nicht der, in dem seit dem Marathonmeeting von gestern immer noch ein fischiger Geruch vom Sushi-Catering in der Luft hing.
    Drei Minuten später waren der Head of Customer Management, seine beiden Assistenten und die zwei Pfeifen, deren Namen sich nie jemand merken konnte, im neuen Meetingroom versammelt, Fräulein Wichtig war mit leicht geröteten Wangen eine Minute später dazugestoßen, dafür hatte sie auch das Feedback bereits formatiert und auf offiziellem EL&W-Draft-Papier ausgedruckt dabei. »Na, da sind wir ja mal gespannt«, sagte der Head gewichtig und begann zu lesen. Er achtete sorgfältig darauf, dabei keine Miene zu verziehen, ungefähr so wie der Richter in den amerikanischen Gerichtsserien, wenn der Büttel ihm den Zettel mit dem Verdikt der Geschworenen rüberreicht. »Feedback zum Feedback?«, warf er dann in die Runde, und alle Anwesenden, außer der Sekretärin, wussten, dass sich hier einer der entscheidenden Karrieremomente abzeichnete. Die beiden Assistenten belauerten sich, zu lange nichts sagen war nicht karrierefördernd, zu schnell das Falsche sagen auch nicht, und aus dem Gesicht des Head konnte man wirklich nicht herauslesen,

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