Bank, Zsuzsa
einmal
angeschaut hatten, allein wegen seiner Brauen, die so spitz zueinanderzeigten,
als wollten sie aufeinander losspringen und ablenken von dem blassen Dreieck
unter der Schläfe. Er hatte Karls Aufnahmen schnell auf den großen Tischen
ausgebreitet und gesagt, er solle ihn beim Vornamen nennen, er sei Jakob, und
ihm alles bringen, was er sonst noch in seinen Schubladen habe. Nach außen
schien für Karl vieles mühelos, als gebe es keine Widerstände, als müsse er um
nichts kämpfen, als sei das Leben um ihn herum angeordnet, und er brauche sich
nur zu bedienen. Schnell durfte er seine Bilder in Jakobs Atelier ausstellen,
und er ging zur Eröffnung anders als sonst - als habe er kein Gewicht, als habe
ihn etwas aufgerichtet und halte ihn hoch, die Hände tief in den Taschen, sein Gesicht,
sein Blick unverändert, gleich wer neben ihm stand und mit ihm redete. Er hatte
Évi eingeladen, schon wegen der Vogelbilder in Schwarzweiß, die sie sehen
sollte, weil er sie an ihrem Küchenfenster, an ihrem schiefhängenden Tor
geschossen und danach jedes Mal an ihrem Tisch gesessen hatte, als müsse er
sich ausruhen. Évi wusste, warum es ein kleiner schwarzer Vogel sein musste,
den Karl mit der Linse einfing, und wann immer Karl wollte, ließ sie ihn im
Labor des Fotoladens hinter dem dicken Vorhang seine Aufnahmen entwickeln,
hängte das Schild mit den Öffnungszeiten in die Tür und stellte einen Teller
mit Brot und Schinken auf die Kisten. An diesem Abend trug sie ihre weiße Bluse
mit der gehäkelten Spitze auf dem runden Kragen, ihr wirres Haar hatte sie mit
einem breiten Band zurückgenommen, die Lippen einen Ton dunkler gefärbt. In
ihren guten Schuhen ging sie langsam von Bild zu Bild, und obwohl sie viele
schon kannte, schaute sie länger als andere, als sei ihr doch alles neu, als
sehe sie die Schatten aus Schwarz und Weiß zum ersten Mal und könne einen
Hinweis, ein Zeichen darin finden. Sie las die Titel, die Karl seinen
Elfenbildern gegeben hatte, und sie bewegte nicht nur die Lippen, wie es sonst
ihre Art beim Lesen war, sondern las alles laut: Elfen über Feldern, Elfen
unter Linden, zwei Elfen, drei Elfen, als sollten es alle hören, als könnten
sie es nicht selbst lesen.
Évi sah seltsam aus zwischen all
den anderen, so wie sie immer seltsam aussah und herausfiel, auch jetzt, da
sie mit Aja und mir nach den Geburtstagsbildern suchte, aus den Jahren, wenn
sie im Sommer verreist gewesen waren, Bildern, die Aja mit Fremden zeigten,
denen sie danach nie mehr begegnet war. Évi hatte diese Leute dazugebeten, damit
sie nicht allein feiern mussten, diesen heißesten Tag des Jahres, und nach den
Aufnahmen hätte man glauben können, es seien gar keine Fremden, sie gehörten
genauso wie Karl und ich zu Ajas Leben. Karl hatte sie einen Sommer lang
abfotografiert und vergrößert, an vielen Vormittagen im Fotoladen, sobald Évi
sicher gewesen war, dass sie Karl die Schlüssel geben konnte, er würde am
Morgen pünktlich öffnen und das Glöckchen einhängen. Er hatte sich Zeit
genommen, er hatte keine Eile gehabt, als er die Bilder nach und nach in eine
Halterung geklemmt, die Kamera auf ein Stativ gesetzt und die Abzüge später im
Labor angesehen hatte. Évi hatte gestaunt, als Karl sie und Aja herausgeschnitten
und den Rest aufbewahrt hatte, nur die Fremden, die mit Aja gefeiert hatten.
Karl hatte die Bilder in ein rotes Album geklebt, das er Aja zum achtzehnten
Geburtstag geschenkt und auf das er geschrieben hatte: Heißester Tag des
Jahres, sonst wer. Jetzt suchten wir sie vergebens hinter den farbigen
Glasbausteinen, die den Raum teilten. Karl hatte sie in seiner Ausstellung
nicht aufhängen wollen, sie zu zeigen wäre ihm wie ein Verrat vorgekommen,
sagte er mir später, vielleicht weil Aja immer das Mädchen für ihn blieb, das
mit seinem Fahrrad ins stille Wasser des Waldsees gestürzt war, selbst jetzt,
da sie ihre mädchenhaften Züge abgelegt und sich mit leichten Schritten von
ihrem Garten entfernt hatte, wo Évi auf jede ihrer Bewegungen und jeden ihrer
Atemzüge achtgegeben hatte. Karl wusste davon nur, weil wir es ihm oft genug
erzählt hatten, aber es hatte ihn nie gewundert, wie sehr wir damals
erschrocken waren, obwohl Aja schon gut hatte schwimmen können und das Wasser
an keiner Stelle so tief gewesen war, dass man sie nicht einfach hätte herausziehen
können. Für Karl war dieser ferne Sommerabend eine Verbindung zu seinem
Bruder, der oberhalb des Ufers gestanden und Aja zugeschaut hatte,
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