Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
Vom Netzwerk:
als sie mit
dem Rad über den Steg und dann durch die Luft gefahren war. Ben hatte mit uns
in einem losen Dreieck gestanden, Aja und ich waren ein lebendes Stück
Erinnerung an diesen sonnengelben Abend, an dem sich in Karls Leben noch nichts
gewendet und verzerrt hatte. Vielleicht haftete es auch deshalb an Aja, dieses
Seefallen, wie wir es nannten, das sich seither nicht von ihr gelöst hatte,
auch wenn sie im weißen Kittel über die Gänge des Krankenhauses lief, haftete
es an ihr, als sei ihr Haar, als seien ihre Kleider und Schuhe noch immer nass
davon.
    Ellen tat sich schwer mit Karls
Bildern, sie mochte es nicht, wenn sie eine verzerrte, verschwommene Figur
zeigten, die so an den Rand gedrängt war, als wolle sie aus dem Bild steigen.
Sie mochte den Schatten nicht, den Karl in seine Bilder ließ, weil er ihm nach
Jahren noch durch den Tag folgte, in der Nacht vor seinem Bett kauerte und auf
den Morgen wartete, um sich wieder an Karl zu heften, sobald er aufwachte und
die Decke zurückschlug. Aja und ich konnten mit Karl kaum darüber sprechen, es
war etwas, das er ausklammerte, und sooft wir ihm sagten, er habe keine
Schuld, winkte er ab und sagte, doch, er habe Schuld, er habe seinen Bruder in
den ersten Jahren weggewünscht, und mit diesem Wünschen habe er Schuld daran.
Aja und ich hatten auf unseren Wegen durch Kirchblüt aufgehört zu glauben, Ben
würde plötzlich an einer Kreuzung, an einer Ampel stehen, vor den Auslagen
eines Geschäfts, er würde hinter uns in einer Schlange warten oder irgendwann
am Feldrain entlanggehen, und Évi könnte ihm dann das Kästchen aus Blech geben,
auf das sich jeden Tag nur neue Staubkörner legten. Karls Unruhe aus frühen
Jahren hatte sich aufgelöst, sein aufgescheuchter Blick, wenn jemand an Évis
Zaun vorbeigelaufen und Karl aufgesprungen war, um aus dem Fenster zu sehen.
Geblieben war ein leises Pochen in seiner Brust, sagte er, das ihn begleitete
und zu ihm gehörte wie der Schatten, den er abzuhängen versuchte, jedes Mal,
wenn er in Heidelberg durch leere Gassen zum Neckar lief, wenn er diesen
Schatten auf seine Bilder bannte, um ihn festzuhalten und hinter einem
Glasrahmen einzusperren.
    Ellen verstand nicht, was Fremde
in Karls Bildern sehen wollten, und noch weniger verstand sie, dass sie bereit
waren, Geld zu zahlen, damit die Bilder ihnen gehörten, aber zur
Ausstellungseröffnung hatte sie unbedingt kommen wollen, trotz ihres
Schwindels, auch wenn die Bilder kreisen, auch wenn sich der Raum und die
Menschen darin drehen sollten. Wenige Tage nachdem Karl die Plakate im
Fotoladen entdeckt und Évi sie in einen Abfalleimer an einer der
Ausfallstraßen gestopft hatte, hatte sich ein Schwindel in Ellens Kopf
gedrängt, der sie so gefangen nahm, dass sie alles andere darüber vergessen
konnte. Ein winziges Klümpchen Kalk hatte sich in ihrem linken Ohr gelöst,
hatte sich dort auf einen Gehörbogen gesetzt und warf nun die Bilder durcheinander,
drehte den Gartenteich, auf den sich beim ersten Frost kleine Inseln aus Eis
wie Seerosen setzten, das Schilf vor ihrem Fenster, kippte das Pflaster des
großen Platzes, den Kirchturm, selbst unsere Linden vor Évis Zaun, und wenn
Ellens Augen anfingen zu flattern, konnten wir zusehen dabei, wie ihr übel
wurde und sie sich festhalten musste an Karls Arm, an seiner Schulter, am
Blech ihres hellen Wagens, den sie dann stehen ließ und über Wochen nicht
fahren konnte. Manchmal sah ich sie auf dem großen Platz, wenn sie plötzlich
innehielt und nach etwas tastete, wenn ihre Hände nach der nächsten Bank
suchten, weil die Steine unter ihren Füßen gerade verrutscht waren, weil sich
der Boden schräg gestellt hatte wie ein kenterndes Schiff, wie Ellen sagte,
weil er ihr unter den hohen, klappernden Absätzen weggerissen worden war und
sie dann nur langsam weiterkonnte, im Zickzack von Platane zu Platane.
    Ellen ging neben Évi durch die
Ausstellung, wie Schachfiguren sahen sie aus, in ihrem Kontrast aus Hell und
Dunkel, als sie sich an Jakob, dem Fotografen, vorbeischoben, der Ellen sofort
erkannte und deshalb auch den Rest zusammenfügen konnte. Jetzt, da er Ellen
sah, fiel ihm ein, wann er ihr begegnet war, dass er sie vor Jahren eine Weile
jeden Tag und dann nie mehr gesehen hatte, obwohl er es sich gewünscht hätte,
seit er Karl für die schweren Kleiderkataloge fotografiert hatte, die er nie
gemocht, aber mit denen er damals sein Geld verdient hatte. Bevor er sein
Atelier um Mitternacht verließ, schob er Karl

Weitere Kostenlose Bücher