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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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hinter die Glasbausteine zu den
Rollschränken, zog zwei Mappen heraus, und Karl schlug sie auf einer der
großen Tischplatten auf, um sich als Kind in einem Schwarzweißbild liegen zu
sehen, in einem Meer aus Kabeln, die Arme von sich gestreckt, die Hände zu
Fäusten geballt, die Augen geschlossen, vor einem Hof mit Akazien, die gerade
angefangen hatten auszuschlagen. Jakob konnte nicht ahnen, dass er ein Fenster
zu hellen Tagen aufgestoßen hatte, die sich damals für Karl licht
aneinandergereiht hatten, ohne Scherben, die seine Eltern erst später stumm auf
seine Wege gestreut hatten, sein Kopf hatte den Takt von zwei Sekunden noch
nicht gezählt, und seine ärgste Wunde war ein Brandmal an seiner Schläfe
gewesen. Damals war das Bild nicht für den Katalog genommen worden, aber irgendwann
später in einer Ausstellung aufgetaucht, zu deren Eröffnung Jakob eine
Einladung geschickt hatte, die Ellen wie jede andere Post nicht beachtet
hatte.
    Seit sein Bruder in einem Auto
verschwunden war, weil zufällig niemand in der Nähe gewesen war, der ihn abgehalten
hätte davon, einzusteigen, weil zufällig keiner auf der anderen Seite der
Straße gestanden und ihm zugewinkt, ihn gerufen hatte, als sich die Wagentür
geöffnet hatte, seitdem glaubte Karl an Zufälle. Auch die Begegnung mit Jakob
hielt er für einen Zufall, der ihn auf eine stille Art mit Jakob verband, die
wir anderen nie durchdringen konnten. Vielleicht war es, weil Jakob eine
Brücke zu Karls Kindheit schlagen konnte und sehen, Karl hatte sich nicht weit
von ihr entfernt, nicht einmal von seinem Kindergesicht, das in seinen Zügen
noch gut zu erkennen war, auch nicht von der Gabe, den Lärm und das Treiben
ringsum auszuschalten, früher auf einem Gewirr aus schwarzen Kabeln im Licht
der Scheinwerfer, und heute zwischen allen, die gekommen waren, um seine Bilder
zu sehen. Auch diese Gabe hatte Karl behalten, gegen jeden Tag und jedes Jahr,
in dem das Klack-Klack in seinem Kopf lauter und drängender geworden war.
    Jakob hatte Zeit. Mehr als
fünfzehn Jahre hatte er Ellen nicht gesehen, und jetzt hatte Karl sie zu ihm
geführt, zwischen seinen nächtlichen Spaziergängen durch die Gassen der
Altstadt, unter ihren beschlagenen Fenstern und Regenrinnen, die das Wasser
zum Ufer schickten, das Karl noch immer absuchte nach etwas, von dem Jakob
nichts ahnen konnte. Wenn er nach Ellen fragte, um sie einzuladen ins Atelier,
sagte Karl, sie kann nicht, ihr ist schwindlig, in ihrem Kopf ist es zu
dunkel, und Jakob schien es nie zu kümmern, wenn sie nicht kam, weil er jetzt wusste,
wo Ellen war, er brauchte sich nur in seinen Wagen zu setzen und über
Landstraßen, die weg vom Neckar führten, nach Kirchblüt zu fahren. Mit Karl
hatte er eine Verbindung zu ihr, und nachdem es Jahre gebraucht hatte, bis Karl
in einer mondlosen Nacht zu ihm gefunden hatte, wusste er jetzt, er hatte Zeit.
Évi hatte gleich etwas in Jakobs Blicken erkannt, und jetzt fiel ihr immer
etwas ein, was sie in den Geschäften rund um den großen Platz nicht besorgen
konnte und so dringend brauchte, dass Ellen sie die halbe oder drei viertel
Stunde nach Heidelberg fuhr, wann immer es ihr Schwindel zuließ, schon weil
sie Zeit und wenig zu tun hatte, seit Karl nicht mehr in Kirchblüt wohnte und
ihr eine Leere gelassen hatte, die sie mit nichts zu füllen wusste. Évi buk Geburtstagstorten
und Teegebäck, sie verkaufte Fototaschen und Farbfilme hinter einer Theke, sie
hatte die Birnbäume, die Johannisbeeren und ein schiefhängendes Tor, an dem
sich Zigi jeden Herbst zeigte. Meine Mutter hatte ein Geflecht aus Straßen, in
dem sie jeden Tag nach den besten Wegen suchte, um den Namen meines Vaters auf
roten und gelben Planen durchs Land und über seine Grenzen zu schicken, sie
zupfte das Unkraut von seinem Grab und ließ seine Bücher abstauben, die auf
weißen Regalen im Wohnzimmer bis an die Decke ragten. Selbst wenn sie nichts
gehabt hätten, etwas hätte Évi und meine Mutter zusammengehalten, weil sie so
gemacht waren, dass etwas sie zusammenhielt und sie nicht auseinanderfielen.
Nur Ellen schien neben Karl nichts mehr zu haben, was ihre Tage ordnen und sie
stützen konnte. Sie wartete in Jakobs Atelier, wenn Évi vorgegeben hatte,
Mandelmus oder Rosenwasser besorgen zu müssen, und nach Stunden zurückkehrte,
in denen sie durch die Kirchen der Altstadt gestreift war, mit Tüten in den
Händen, die sie zu Hause gefaltet, in ihre Handtasche gesteckt und später mit
Papierabfällen aus dem

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