Bank, Zsuzsa
nach sich selbst,
wenn Ellen ihre Umrisse nachzeichnete und abtastete, als sei sie sich fremd
geworden und versuche sich wiederzufinden, als prüfe sie noch, ob es wirklich
ihre Augen auf den Fotos waren, ihre Finger und Füße, die Jakob auf den
Tischplatten ausbreitete, jedes Mal, wenn Évi die Tür zu seinem Atelier
aufgestoßen und sich schnell verabschiedet hatte. Als Ellen anfing, ihr Haar
nach dem Waschen wieder auf eine Bürste zu drehen, wie sie es früher getan
hatte, mit einer Bewegung, als sei es Zuckerwatte auf dem Jahrmarkt, wussten
wir, etwas war zu ihr zurückgekehrt, etwas war wieder lebendig geworden, und es
lag an Jakob und Évi, sie hatten dafür gesorgt, Jakob mit seinen Bilderreigen,
in denen immer ein Stück fehlte, und Évi mit ihren leeren Tüten, die sie am
Neckar entlang, durch den Schlossgarten und die Straßen der Altstadt trug, um
sie abends an einer Tonne mit Papier zu füllen.
Als Ellen zum ersten Mal ohne Évi
die Tür zum Atelier öffnete, als sie sich auf den Stuhl mit den breiten
Armlehnen setzte und nicht mehr aussah, als habe sie nur vor dem Wetter
fliehen wollen, wusste Jakob, sie würde wiederkommen, er brauchte sie nicht
mehr einzuladen, nicht mehr über Karl Grüße zu bestellen, und Évi musste nicht
länger vorgeben, sie habe in den schmalen Gassen einzukaufen, die eine Sorte
Piment, die eine Flasche Orangenlikör, die sie für ihre Kuchenbestellungen
brauchte und im Kaffeeladen in Kirchblüt nicht kriegen konnte. Etwas an Ellens
Art sagte Jakob, sie würde wiederkommen, erklärte er später Karl, schon wie sie
die Tür öffnete und leise ihr Guten Abend in den Raum warf, als habe sie Angst,
Jakob könne es auch hören, schon wie sie ihren Mantel mit dem blauen
Fellkragen so zögerlich ablegte, als trage sie nichts darunter, und dann auf
hohen klappernden Absätzen von Bild zu Bild über den Betonboden ging, obwohl es
seit Wochen dieselben Aufnahmen waren und sie alle längst gesehen hatte.
An Jakob war etwas, das nicht nur
Ellen, sondern uns allen gefiel, sein schiefes Lachen, als passten seine Zähne
nicht zu seinem Mund, als sei in seinem Gesicht etwas falsch zusammengewachsen,
das Jungenhafte an ihm, über das wir oft genug vergaßen, dass Jakob älter war
als wir, die Ruhe, die sich auf uns übertrug, wenn er eine Aufnahme zeigte und
sich Zeit nahm dafür, wenn er unsere Fingerabdrücke vorsichtig mit einem Tuch
abwischte, als habe er Angst, das Bild könne zerreißen, und wenn er es unter
dem Licht einer Lampe drehte, damit wir jedes Mal etwas Neues darin entdecken
konnten. Uns gefiel, dass er sein Atelier offen ließ und wir nie vor verschlossenen
Türen standen, wenn wir seine Bilder sehen wollten, weil ihn der Gedanke nicht
störte, jemand könne etwas mitnehmen wollen, wenn er spät am Abend nach Hause
ging, mit Mappen und Folien unter dem Arm, unter den Doppeltürmen auf die Alte
Brücke über den Neckar trat, wo er trotz des scharfen Windes jedes Mal stehen
bleibe, wie er sagte, um sich zum Schloss zu drehen und zu schauen, ob es noch
dort stehe, ob noch genau so wie am Morgen, als er sich aufgemacht hatte in die
schmalen Gassen der Altstadt.
An einem solchen Abend im Februar,
als es an der Hochschule schon niemanden mehr kümmerte, dass Aja nur drei
Finger an einer Hand hatte, Monate nach Karls erster Ausstellung, als der
Winter die Brückenpfeiler und Ufer nach Fastnacht einmal noch mit Schnee
bestäubt und die roten Dächer zugedeckt hatte, war es Jakob, als folge ihm
jemand. Er habe etwas im Nacken gespürt, sagte er später, schon als er die Tür
zugezogen hatte, um wie jeden Abend übers schräge Kopfsteinpflaster zum Wasser
zu laufen. Aber wenn er sich umgedreht habe, hatte er niemanden sehen können,
nur den Schnee, der mit einem Mal dichter geworden und vom Wind um die Häuser
gejagt worden sei. Jakob war allein auf der Brücke, außer ihm schien niemand
bei diesem Wetter unterwegs zu sein, aber als er stehen blieb und wie jeden
Abend zum Schloss schaute, dessen Mauern unter dem Weiß aussahen, als ragten
sie plötzlich höher, war es ihm, als habe er im Brückentor einen Schatten
bemerkt. Jakob schob seine Hände durch den frischen Schnee auf der Mauer, bis
er aufs Wasser rieselte, bis seine Finger klamm waren und er trotz Mantel und
Schal zu frieren anfing. Er ging langsam weiter, er ließ sich Zeit, zum anderen
Ufer zu gelangen, weil er vielleicht etwas entdecken würde, das ihm vorher nie
aufgefallen war, als sei ihm alles neu an diesem Abend,
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