Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
Vom Netzwerk:
Stadt,
schritten über ihre sieben Hügel und schauten von oben herab auf das Meer aus
rostroten Dächern, aus dem die Schwalben als schwarze flirrende Punkte
stiegen. Abends saßen wir in einer Bar in Trastevere, und später warteten wir
am Trévibrunnen, bis sich der Platz leerte, bis er nur noch uns und den Straßenfegern
gehörte, die in Anglerhosen ins Wasser stiegen, um nach Münzen zu fischen, die
man am Tag vor die Meeresgötter geworfen hatte, weil es hieß, dann würde man
nach Rom zurückkehren. Meine Mutter erzählte von Kirchblüt, davon, dass der
Sommer schon die Platanen auf dem großen Platz gelb gefärbt hatte, und davon,
wie sehr Évi und Ellen uns vermissten und hofften, wir würden nicht mehr lange
bleiben. Ich sehnte mich plötzlich nach Évi, nach den Schneelandschaften zu Hause,
in die  wir früher mit unseren Schnürstiefeln Spuren gesetzt hatten, nach den
Feldwegen, die über Wochen ihre weiße Farbe behielten. An Nieselregen und
nasse Füße musste ich denken, an die strenge Dunkelheit des Winters, hielt
mich fest an diesen lächerlichen Gedanken an ein Wetter, das ich nie gemocht
hatte, jetzt, da ich neben meiner Mutter durch die heiße Septemberluft lief und
mich an den großen Platz mit seinen kleinen Straßen ringsum wünschte, zum
lichten Grün unserer Linden, die bald anfangen würden, ihre Blätter zu
verlieren.
    An unserem letzten Morgen, bevor
meine Mutter mich zum Abschied umarmte und mit einer ihrer schnellen Bewegungen,
als habe sie nie Zeit für etwas, ins Taxi stieg, das sie zu einer der großen
Straßen am Stadtrand bringen würde, sagte sie, sie habe den Koffer meines
Vaters geöffnet. Seinen Koffer, den er auf seine letzte Reise mit nach Rom genommen
hatte, der vergessen und nachgeschickt worden war, als mein Vater schon nicht
mehr lebte, der meine Mutter seitdem auf dem Beifahrersitz ihres Wagens
begleitet hatte und den sie in diesem Sommer habe öffnen können, wie sie sagte,
als sei die Zeit jetzt erst dafür reif gewesen. Sie ließ es klingen, als habe
etwas sie gezwungen, es mir auch zu sagen, als habe sie damit eine Aufgabe
erledigt, die sie lange vor sich hergeschoben hatte, und als das Taxi sie mitnahm
und an der nächsten Kreuzung mit ihr verschwand, glaubte ich, ich müsse ihr
nachlaufen, die Tür aufreißen und fragen, was sie darin gefunden hatte.
    Den Gedanken an Aja und Karl hatte
ich verdrängenkönnen, aber jetzt kehrte er zurück und sperrte mich unter eine
Glocke, wo nichts anderes mehr Platz hatte. Ich überlegte, ein Zimmer zu
nehmen, um nicht in unsere Wohnung zu müssen, aber dann ging ich doch, am
lauten Tiberufer hoch zur Engelsbrücke, an der mir zum ersten Mal die Nägel und
Geißeln in den weißen Händen der Skulpturen auffielen, und dann zu unserer
Straße, wo ich sehen konnte, dass die Fenster zu unserem Balkon weit geöffnet
waren. Als ich die Tür aufstieß, packte Aja Badesachen in ihre Tasche und warf
die Landkarte hoch, weil sie mit Karl und mir ans Meer fahren wollte, eine
kleine Bucht, einen hellen Strand suchen und den Geruch des Krankenhauses
loswerden, wie sie sagte, den fiependen Ton der Geräte, wenn sie Alarm
auslösten, den sie in den letzten Tagen zu oft habe hören müssen und der in
ihren Ohren immerzu nachhalle. Etwas daran störte mich, als sie blind auf die
Seiten tippte. Ich mochte es nicht, wenn sie tat, als könne sie die Orte
jederzeit wechseln, so wie Évi und Zigi es getan hatten, in ihrem Wanderjahr,
als könne sie Stadt und Land und Meer einfach austauschen, als könne ihr ein
Ort allein nicht mehr reichen.
    Karl lieh einen Wagen und holte
uns am frühen Nachmittag. Er ließ den Motor laufen und hupte, wie es die Römer
taten, bis Aja sich aus dem Fenster beugte, winkte und die Treppen hinabeilte,
als habe sie Angst, ihn zu verpassen, als könne er ohne sie losfahren wollen.
Ich stieg ein, obwohl ich nicht wusste, warum, und selbst nicht verstand, weshalb
ich nicht blieb, in einer Wohnung ohne Aja und Karl, wo es leicht gewesen wäre,
Arbeit vorzutäuschen, stapelweise Papiere aus dem Italienischen ins Deutsche
zu übersetzen und zurück ins Italienische, um zu sehen, was dabei herauskam.
Wir erreichten die Küste, als das Abendlicht schon auf den Häusern lag, die so
an die Hänge gebaut waren, als könnten sie mit dem nächsten Windstoß ins Meer
fallen. Karl stellte den Wagen ab, wir zogen die Schuhe aus, stiegen über
steile Treppen zum Strand hinunter und liefen zu zwei Felsen, von denen Karl
sagte, nur ein

Weitere Kostenlose Bücher