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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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uns
nicht so schnell freigeben, als wolle er uns noch ein wenig gefangen halten.
Ich sagte, sie sollten nicht warten, bis mein Zug käme, sie sollten etwas
suchen, wo sie übernachten könnten, jetzt, da sich über uns etwas
zusammenbraute, vor dem sich die Tauben unter den Dächern versteckten. Aber Aja
bestand darauf zu bleiben, sie wollte sicher sein, dass ich nicht Stunden an
diesem Bahnsteig bleiben müsse, während ein Unwetter über die Küste tobte. Als
der Zug hielt, wischte sie mit ihrem Badetuch den Schweiß von der Stirn, und
als ich mit einem letzten Winken einstieg, war es mir, als bewegten sich die
Abfälle, die Blätter, die Wolken, als bewege sich alles wie von einem Magneten
angezogen auf etwas zu, als treibe es hin zu etwas, das ich noch nicht erkennen
konnte.
    Nur langsam fuhr der Zug aus
Salerno hinaus, und als ließe ihn die heiße Luft nicht weiter, blieb er schon
kurz dahinter stehen, und ich wartete eine Weile vergeblich auf eine
Durchsage. Ich stand auf, zog das Fenster nach unten, und hinter einer Reihe blassbrauner
Häuser glaubte ich, auf einem schmalen Weg einen Mann und ein Mädchen zu sehen.
Als der Zug weiterfuhr, erkannte ich, es waren Aja und Karl, die still
gestanden hatten und jetzt wieder anfingen zu laufen, die Hände
ineinandergelegt, als tanzten sie durch den Staub der Straße, Aja neben Karl so
klein, dass man sie vom Zugfenster aus hätte für ein Kind halten können. Sieben
oder acht Sekunden, die Zeit, in der mein Zug an diesem Bild vorbeiglitt,
stellten sich zwischen uns und stießen uns auseinander, als müsste ich in
diesem Ausschnitt eines Nachmittags alles sehen, was unser Dreieck jemals zusammengehalten
hatte und jetzt zu sprengen drohte. Ich fuhr im Regen zurück nach Rom, der laut
aufs Zugdach prasselte und den gelben Schmutz von den Fenstern wusch. Als ich
die Augen schloss, sah ich zwei Felsen vor einem bleifarbenen Meer, das schon
weit genug hinter mir lag, und zwei Schlangen, die aus den Wellen glitten und
Karl in die Tiefe rissen.
    In Termini nahm ich ein Taxi, weil
ich den Bus nicht ertragen konnte, das lange Warten, bis der Fahrer irgendwann
doch einstieg und den Motor anwarf. Auch in den Tagen danach, in denen der
Regen unablässig weiterfiel, mit einer Heftigkeit, die ich in Rom nie vermutet
hätte, lief ich lieber durch die Stadt, ganz gleich wie weit meine Wege waren.
Ich hatte Zeit, und das Gehen beruhigte mich, mein Herz schlug langsamer, ich
konnte atmen - zwischen den Fassaden aus erdbraunem Stein, die mir im Sommer
oft die Luft genommen hatten, konnte ich jetzt wieder atmen. Wenn ich das
Küchenfenster öffnete, drang die regennasse Luft herein, in eine Stille, die
Aja und Karl mir gelassen hatten und die sich auf die ganze Straße gelegt zu
haben schien, auf der jetzt nur selten ein Auto fuhr und die Stimmen versiegt
waren. Wenn ich die Gassen hinab zum Tiber ging und auf der anderen Seite in
die Nähe des Krankenhauses kam, sah ich Aja und Karl unter Gewitterwolken auf
einem schmalen Pfad hinter Gleisen, auch Tage später, als ich noch immer über
Rinnsteine sprang, aus denen das Wasser sprudelte, durch die kleinen Bäche,
die über die Brunnenränder schwappten, vorbei an Menschen unter Schirmen und
Hauben, als der Regen noch immer alles versteckte, was der Himmel über Rom
sonst zu zeigen hatte.
    Karl und Aja hatten sich vor
meinen Vater in meine Träume gedrängt. Wenn ich abends die Augen schloss,
schlüpften sie an seine Stelle, und es fühlte sich an, als kratzten die Bilder
an meinen Lidern, ein bisschen so, wie Zigi mit Évis Küchenmesser früher den
Dreck von den Tischkanten gekratzt hatte. Wie hätte ich damals wissen können,
dass es Karl sein würde, ausgerechnet Karl, als Aja und ich in einem Tuch
zwischen Birnbäumen geschaukelt und Évi und Zigi durch den schmalen Flur
getanzt waren, wenn sie die Mäntel und Hüte gestreift und wir uns gewünscht
hatten, für uns möge es eines Tages auch so werden. In Gedanken lief ich
rückwärts durch die Wochen, die hinter uns lagen, und suchte etwas, das ich
bislang übersehen hatte. Ich stieg noch einmal durch Sonnenblumenfelder, unter
Pinien die Hügel hinauf, ich schwamm noch einmal in einem Tümpel und spürte
die Libellen auf meinem Kopf, ich fuhr neben Karl in dem kleinen Fiat über
Serpentinen, bis mir übel wurde davon, ich nahm die Treppen zum Meer hinunter,
um zwischen Felsen Karls Blicke zu sehen, ich saß noch einmal im Zug nach Rom
und hoffte auf Seeschlangen.
    Ich vergaß, mit

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