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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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rostroten
Dächer, als könne nichts lustiger sein als Karl, der auf einem Bein hüpfte, in
seinen neuen Schuhen, und ich spürte, wie wütend ich wurde und wie es mich
sogleich ängstigte, weil ich nie gedacht hätte, ich könne einmal so wütend auf
Aja sein, wo sie doch nur auf dem Bett saß, mit nackten Beinen, in ihrem weißen
Hemd mit dem großen spitzen Kragen, die kurzen Haare unter einem roten Reif,
ein buntes Kissen im Nacken, die Knie angezogen, und nichts tat, als über Karl
laut zu lachen. Aber es klang anders als in all den Jahren zuvor, zum ersten
Mal klang es anders, und ich wurde das Gefühl nicht los, die beiden hätten
sich gegen mich gewandt, in den wenigen Tagen, in denen sie ohne mich geblieben
waren, als seien sie nicht früher schon oft genug ohne mich gewesen, als sei
ihnen erst jetzt eingefallen, es könne ohne mich besser sein. Zugleich kam es
mir albern vor, so zu denken, genauso albern, wie mir Ajas Schuhe mit den
Stoffblumen jetzt vorkamen. Ich würde mich an diesen Anblick, an diesen
Gedanken gewöhnen, ich würde ihn ertragen müssen, Karl und Aja ohne mich, auch
wenn ich mich lange dagegen sträubte, jedes Mal, wenn ich aufwachte und sie
nebenan schon hören konnte, wenn sie am Abend ihre nackten Füße über die
Brüstung vor dem Küchenfenster hängten, und in der Nacht, wenn ich übers
schräge Pflaster hinab zum Tiber lief, weil ich ihr Flüstern und Lachen nicht
mehr aushalten wollte.
    Meine Mutter hatte sich
angekündigt, mit einer Karte, die schon in der Post gelegen hatte, bevor wir
uns aufgemacht hatten, um zwischen Sonnenblumenfeldern und Olivenhainen unser
Dreieck aufs Spiel zu setzen. Ihr Besuch gönnte mir einen Aufschub, denn ich
konnte am Abend losgehen und brauchte keine Ausrede, auch wenn ich nur den Bus
zum Forum nahm, um allein mit herrenlosen Katzen auf warmen Steinen zu liegen.
Évi habe über die Felder geschaut und gesagt, es fange an, nach Herbst zu
riechen, und meine Mutter hatte plötzlich Lust bekommen, sich nach Rom
aufzumachen, erzählte sie, in die Stadt, durch die mein Vater wenige Tage vor
seinem Tod spaziert war. Vor der nächsten Fuhre nach Süden hatte sie ihre
Tasche mit den langen Reißverschlüssen gepackt, hatte sich neben einen ihrer
Fahrer gesetzt und mitnehmen lassen bis zu einer der großen Straßen am
Stadtrand, von wo der Laster weiter nach Süden gefahren war. In einer Pension
in unserer Nähe hatte sie ein Zimmer bestellt, nach zwei Wochen würde sie ein
Taxi an den Stadtrand nehmen, und ihr Fahrer würde sie an derselben Stelle
auflesen und mit nach Kirchblüt nehmen. Früher hätte ihr nichts ferner liegen
können, als in einem ihrer Laster mitzufahren, aber neuerdings umgab meine
Mutter eine Leichtigkeit, die ich mir nicht erklären konnte, die sie aber
jünger aussehen ließ und die mir gut an ihr gefiel.
    Mittags ging sie in ein kleines
Restaurant am Campo del Fiori, von dem sie wusste, mein Vater hatte dort, wenn
es die Jahreszeit erlaubt hatte, unter gelben Markisen gegessen, bestellte
Fisch, wie er es getan hatte, und kümmerte sich wenig um die Blicke, mit denen
man sie bedachte, weil sie allein am Tisch saß - seit Jahren hatte sie diese
Blicke ertragen und sich längst an sie gewöhnt. Sie lief durch die Straßen,
durch die mein Vater gelaufen war, saß auf den Stufen zum Petersdom, auf denen
er gesessen hatte, jedes Mal, wenn Geschäfte ihn nach Rom geführt hatten, und
ging ins Pantheon, um ein Licht zu sehen, von dem mein Vater erzählt hatte,
ein Licht, das es im Norden nicht gab und das er immer wieder hatte sehen
wollen. Nie hatte er die Stadt verlassen, ohne im Pantheon gestanden zu haben,
ohne dem Lichtstrahl von der Kuppel zum Boden mit seinem Blick gefolgt zu sein,
und jetzt, ein viertel Jahrhundert später, schaute meine Mutter in den
gleißend hellen Kegel und den feinen Staub, der darin tanzte. Hier konnte sie
meinem Vater auf eine ferne Art nah sein, so wie sie auch mir immer nur auf
eine ferne Art nah sein konnte und ich sicher war, sie spürte in diesen
Septembertagen, es gab etwas, das mich verstörte, über das ich mit ihr aber
nicht reden wollte und über das mit Aja und Karl zu reden auch unmöglich war.
Mit meiner Mutter vergaß ich die beiden für Momente, den Abstand, den sie mir
gesetzt, die Lücke, mit der sie mich zurückgelassen hatten, und nur wenn ich
irgendwo einen Hund bellen hörte, musste ich noch an die Täler denken, über
deren Wiesen der heilige Franz schwebte.
    Wir durchstreiften die

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