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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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sollen und mich dabei erwischt
hatte. Plötzlich band mich nichts mehr an Rom. Ich wollte der Stadt, ich wollte
Aja und Karl den Rücken zuwenden, ich würde bis Weihnachten zu Hause bleiben,
vielleicht bis Neujahr, ich brauchte die lange Fahrt nach Hause, ich dachte an
die Bahnhofsschilder von Bologna und Chiasso und sehnte mich, im Zug durch die
Berge und über die Grenze zu gleiten, zwischen roten Herbstwäldern die Höfe und
Kirchtürme zu sehen und in der Dunkelheit nicht mehr sagen zu können, ob der
Zug sich vor- oder zurückbewegte.
    Aja und Karl wollten noch einmal
hinaus aufs Land, bevor es kälter werden würde, und mir fiel ein, wie sich
Karl im Sommer auf die warmen Gleise im Tal gelegt hatte, wo die seltenen Züge
nach Rom fuhren, und erst aufgesprungen war, wenn er schon ein Zittern auf den
Schienen hatte spüren können. Ich hatte Angst gehabt, er würde einmal
einschlafen und das Zittern nicht mehr bemerken, und Karl hatte mir zuliebe
aufgehört damit. Als Aja ihre Tasche nahm, sagte ich an der Tür: Achte darauf,
dass er sich nicht auf die Gleise legt und einschläft, aber ich ließ es
klingen, als würde es mir nichts ausmachen, wenn es geschehen sollte, als
wollte ich keine Warnung, sondern einen Wunsch aussprechen, als sei ich fähig
dazu, mir zu wünschen, Karl würde sich einmal genauso schnell und leicht aus
unserem Leben entfernen, wie er es einmal betreten hatte, er würde mit einem
Satz aus unserem Dreieck hinausspringen, genauso, wie er sich vor vielen
Jahren an seine Spitze gesetzt und es zu Ende gezeichnet hatte.
    Während Aja und Karl durch die
Sonnenblumenfelder spazierten, zog der Herbst in unsere Straße, mit klammen
Tagen, die Karl und ich immer schlecht ertragen hatten, weil Rom nicht
eingerichtet war auf Kälte. Nur Aja hatten sie nichts gemacht, sie kannte die
Kälte noch aus den Winterwäldern, wo sie zwischen Évi und Zigi geschlafen
hatte, aus ihrem Zimmer in Kirchblüt, das sie hatte verlassen müssen, sobald
sich Eisblumen aufs Fenster gesetzt hatten, um sich an Évi zu wärmen, unter
allen Decken und Laken, die sie hatten finden können und über sich ausgebreitet
hatten. Als Aja und Karl vom Land zurückkehrten, in dicken Jacken und festen
Schuhen, fegte der Wind die ersten gelben Blätter von den Bäumen und warf sie
vor meine Füße, wie um mich zu fragen, was willst du noch hier. Ich nahm den
Bus nach Termini, ging an den Ständen vorbei, wo sie die Strandschuhe
abgenommen und Felljacken aufgehängt hatten, und weil ich unterwegs aus dem
Fenster schauen und etwas sehen wollte, kaufte ich einen Fahrschein für den
Zug, der früh am Morgen fuhr, wenn Aja und Karl noch schlafen würden.
    Am Abend saß ich mit Aja in der
Nähe des Krankenhauses in einer kleinen Bar mit einem Tisch und zwei Stühlen
an der Straße, in der wir uns oft getroffen hatten, wenn Aja nachts arbeiten
musste und den weißen Kittel und die Brille mit dem Lederband in einer Tasche
bei sich trug. Karl und ich hatten vor dem Haus die zähe Länge des Augenblicks
verkürzen wollen, er hatte meine Hand genommen, ich hatte sie weggezogen und
mich sofort geschämt dafür, und jetzt suchten sogar Aja und ich nach Worten,
die wir uns sagen konnten, obwohl es uns immer leichtgefallen war, sie zu
finden, und wir nie hatten nach ihnen suchen müssen, um uns etwas zu erzählen.
Bevor sich Aja aufmachte, um die Nacht an Krankenbetten zu verbringen, schlug
sie ein letztes Rad für mich auf dem Bürgersteig, und als man ihr durchs
Fenster zuschaute und klatschte, fasste sie mich mit ihren schmutzigen Händen,
und ich konnte die Steinchen spüren, die an ihnen klebten. Sie legte ihre Hand
mit den drei Fingern und dem neuen Ring auf meinen Arm und sagte, versprich
mir, eine Münze in den Brunnen zu werfen, bevor du fährst, und als ich später
nicht schlafen konnte, weil ich den Gedanken schwer aushielt, es würde meine
letzte Nacht in Rom, meine letzte Nacht in Ajas Nähe sein, zog ich die Jacke
über und sprang die breiten Stufen hinab durchs Treppenhaus. Ich lief ein
letztes Mal zur Brücke, stand unter den garstigen Blicken der Engel, mit ihren
Nägeln und Geißeln, die sie für den Kreuzgang bereithielten, ging weiter
durchs tiefe Gelb der leeren Gassen, das die Laternen aufs Pflaster setzten,
unter einem Sternenhimmel, den die Antennen in Stücke geschnitten hatten. Als
ich das Wasser in den Brunnen plätschern hörte, dachte ich, dass es die
schlechteste Zeit war, Rom zu verlassen, jetzt, da die Ströme des

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