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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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den Norden, schon nach Neujahr trennten sich ihre
Wege, und es fiel Évi nicht schwer, von Zigi Abschied zu nehmen. Sie fing als
Zimmermädchen in einer Pension an, zu der breite Skipisten führten, auf denen
sie schnell zu fahren lernte. Man gab ihr ein winziges Zimmer neben den
Kesseln und Rohren der Heizung, und wenn sie am Abend durch verschneite Straßen
ging und keiner sie beobachten konnte, kletterte sie auf Geländer und breitete
die Arme aus, um wie auf einem Seil zu balancieren. Vom ersten Tag an malte
sich Évi aus, wie die Leute wohl waren, die sie im Hotel nie zu sehen bekam,
wie jemand sein könnte, der eine solche Kette trug, die sie im Bad hochnahm,
wenn sie übers Waschbecken wischte, und welches Gesicht zu dem Hemd passen
würde, dessen Kragen sie über dem Kleiderständer richtete. Wenn sie am Morgen
die Betten aufschüttelte und die Fenster öffnete, um die schneekalte Luft hereinzulassen,
wenn sie den Staub mit einem weichen Tuch von den Bilderrahmen nahm, und auch
wenn sie im leeren Speisesaal ein Stück Butter neben zwei helle Brötchen auf
ihren Teller legte, fügte sie sich die neue Welt zusammen, in die sie ganz
allein hineingegangen war. Sie baute sie aus Skianzügen und Mützen, zu denen
sie sich Gesichter und Stimmen vorstellte, aus Teppichmustern und Federkissen,
in deren Mitte sie eine Falte schlug, aus den Blumen, die sie aus großen Vasen
nahm, wenn sie welk waren, aus den Tönen, die von den Heizungsrohren neben
ihrem winzigen Zimmer kamen, und auch aus den Bewegungen der Wolken, wenn sie
am Morgen hinaussah, über frischen Schnee und Tannenwälder, während Zigi zur
selben Zeit an einem Hafen weit oben im Norden den großen Schiffen nachschaute,
die über den Atlantik fuhren, und wann immer er genügend Geld zusammen hatte,
die Fähre zu einer der Inseln nahm, die nicht weit vom Festland ins Wasser
geworfen waren, um dem Wind zu trotzen.
    Später erst wusste Évi, Zigi hatte
im Frühling, an einem der seltenen sonnigen Tage, auf einer dieser Inseln, in
einem kleinen Hafen auf einem Poller gesessen, und weil der Wind geruht hatte,
Jacke und Schuhe abgestreift. Évi musste gerade aus seinen Gedanken gefallen
sein, als ein Kahn vorbeizog, an dessen Bug eine Frau saß, die Haare unter
einem Kopftuch, das sie im Nacken gebunden hatte und ihre Stirn bedeckte, an
einem Ohr ein breiter goldener Ring, der Zigi an Seeräuber denken ließ. Ihre
nackten Beine hingen in dunklen Stiefeln über die Bordwand, sie spielte
Schifferklavier zu einem Seemannslied, das sie sang mit einer hellen klaren
Stimme, als verliere sie sich in seiner Melodie und vergesse darüber alles
andere. Als der Kahn vorbeiglitt, schaute sie zu Zigi und drehte den Kopf nach
ihm, und einen Augenblick lang sah es aus, als verliere sie den Halt und falle
ins Wasser. Zigi fing an, in einem kleinen Zirkus sein Geld zu verdienen, der
ihn engagiert hatte, nachdem er einmal übers Seil und auf den Händen durch die
Manege gelaufen war. Trotz des schwarzen Kostüms mit dem Kopfschmuck aus
Federn erkannte Zigi sofort die Frau von dem Kahn wieder, als sie ihm zwischen
Tierkäfigen und Stellwänden vorgestellt wurde, und als er bald einen Tanz mit
ihr einübte, mit vielen Sprüngen und Drehungen, gab er ihr den Namen Libelle,
weil ihre zitternden, flatternden Bewegungen, ihre Art, den Kopf zu halten und
davonzujagen, ihn an eine Libelle erinnerten, auch weil sie klein war und
neben ihm zu verschwinden schien, als habe sie früh aufgehört zu wachsen, damit
sie biegsam und gelenkig wie ein Kind bleiben würde, damit ihre Fußspitzen ihren
Scheitel berühren konnten, wenn sie sich auf den Bauch legte, den Kopf in den
Nacken warf und mit den Händen nach ihren Knöcheln fasste.
    Es war die Zeit, in der Évi
begann, von Judasküssen zu sprechen, wenn Zigi sie besuchte, wenn er den Zug
nahm und einen Tag lang nach Süden fuhr, um für zwei Nächte das winzige Zimmer
mit ihr zu teilen und auf die Geräusche der Kessel und Rohre zu hören. Sein Geruch
war anders geworden, etwas Fremdes hatte sich auf sein Haar gelegt und blieb
in seinem Kissen, wenn Évi es morgens aufschüttelte. Wenn sie die Tür zu ihrem
Zimmer öffnete, überfiel es sie schon, und sie ahnte schnell, warum es sich in
Zigis Haut, warum es sich ins Bett und in die Wäsche gefressen hatte, obwohl
sich Zigi nur an Évi gebunden glaubte, wie er ihr oft genug versicherte, und es
niemanden gab, der ihn von Évi hätte wegziehen können, auch Libelle nicht. Einmal
hatte Libelle ihn

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