Bank, Zsuzsa
Seil
balancierte und zum ersten Mal einen schmalen goldenen Ring am Finger trug.
Als Libelle den Abstand nicht
wahrte, den Évi für sie gesteckt hatte, packten sie ihre Taschen. Zigi band
sein Kind in einem Tuch auf den Rücken, und Évi hielt dabei sein Köpfchen,
damit es nicht wackelte. Libelle hatte den Namen für Aja ausgesucht. Es war
ihr nicht schwergefallen, sie hatte einfach ihren Namen an ihr Kind
weitergegeben, und später, als sie schon wusste, Zigi würde nicht zurückkehren,
war es ihr, als habe sie den Namen ausgesucht, damit Aja auch von ihr etwas
haben würde, damit sich ihre Bande nicht auflösten, damit etwas sie durch die
Jahre und Jahrzehnte zusammenhielt, und wenn es nur derselbe Name war. Libelle
hatte geglaubt, Zigi würde mit Aja nach wenigen Wochen zurückkehren,
spätestens wenn der Winter käme, würde er sie zurückbringen. Sie hatte nicht
mit Zigis Härte gerechnet, auch nicht mit der großen Leere, mit der sie
zurückblieb, so jedenfalls erzählte sie es Évis Freunden, wann immer sie ihnen
in den Jahren darauf begegnete, der großen Leere, die sie mit nichts zu füllen
wusste, sosehr sie ihren neuen Waggon auch schmückte, sosehr sie ihren Tanz
beherrschte, so häufig sie Länder und Städte auch wechselte und sich jedes Mal
unter größerem Applaus verbeugte.
Libelle hörte nichts mehr von Aja.
Sie wusste nichts von der klammen Kälte, gegen die Évi Decken ausbreitete,
nichts von ihren Nächten unter Füchsen, auch nichts von einem Dachzimmer mit
Schrägen, in das Évi sich vor dem Winter rettete. Als Zigi sich aufmachte und
ein Schiff bestieg, das ihn weg von Évi und Aja brachte, als er sich für sein
neues Leben einen neuen Namen gab, den jeder würde aussprechen und sich merken
können, als er Évi nichts zurückließ als ein dunkles Haar in ihrem Kamm und als
letzten Gruß eine Karte, die Évi versteckt und Aja später trotzdem gefunden
hatte, in einer Schublade, in die Évi alles legte, was geflickt und gestopft
werden sollte, wusste Libelle nichts davon. Sie wusste auch nichts von Évis
Angst, wenn Zigi gekommen war, um mit Aja von Stadt zu Stadt zu ziehen, wenn er
sie in einem Tuch auf den Rücken gebunden hatte und Évi allein geblieben war
mit dem Geruch eines Stoffaffen, den Zigi mitgebracht hatte und dessen Füße
man mit einem Draht bewegen konnte. Libelle wusste nichts von Évis Angst, sie
könnten diesmal nicht zurückkehren, Zigi könne Aja einfach auf seine Schultern
setzen und das Schiff mit ihr besteigen.
Libelle wusste nicht, dass Zigi
einen Garten fand zwischen Feldrainen, er gab einem Bauern Geld dafür und
brachte jeden Herbst noch mehr davon, damit Évi und Aja bleiben konnten. Sie
wusste nicht, dass er dort, wo sich die Feldwege kreuzten, nicht weit von den
Schranken des Bahnwärters, ein Haus für sie baute, das für andere eine Hütte
war, dass Évi und Aja an einem Tag im Mai mit wenigen Kisten dort ankamen und
jedem in unserer kleinen Stadt sofort auffielen, schon wegen ihrer wirren, störrischen
Haare, die sie mit Klammern feststeckten und unter Tüchern festbanden. Libelle
wusste nichts von Kirchblüt, nichts vom nahen Wald und dem tiefgrünen See
darin, nichts davon, dass ihre Tochter mit Karl und mir unter Birnbäumen
aufwuchs, schneller als andere lesen und schreiben lernte, den großen Platz
unter den Platanen jeden Tag mit ihren fliegenden Schritten überquerte, im
Winter Vogelfutter streute, damit sich Meisen aufs Fensterbrett setzten, und
im Sommer unter einer Brücke Klatschmohn pflückte und als Strauß in hohe
Weckgläser stellte.
Sie ahnte nichts von Évis Angst,
wenn der Postbote sein Fahrrad an den Pfosten lehnte, könne er einen Brief von
Libelle bringen, auch wenn sie nicht wusste, wo Aja und Évi lebten, weil alle
Spuren sorgfältig verwischt worden waren und Libelle jetzt gut darin war, sich
an Abmachungen zu halten. Sie wusste nicht, dass Évi selbst vor Zigis Briefen
Angst hatte und sie eine Weile ungeöffnet neben dem Fliegengitter liegen ließ,
bevor sie anfing, nach den drei Buchstaben zu suchen, die sie als ihren Namen
erkennen konnte, und dass ihr manchmal nur das Beten vor ihrem kleinen Altar
half, neben dem sich die bunten Umschläge stapelten. Sie wusste nicht, dass
Aja zu Évi Mama sagte, seit sie angefangen hatte zu reden, dass Zigi sie nicht
abhielt davon und Évi trotzdem fürchtete, sich von Aja verabschieden zu müssen,
jedes Mal, wenn Zigi sich am schiefhängenden Tor zeigte, und sich ihre Angst
nach Wochen erst
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