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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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musste in
einem Vierteljahrhundert, seit Ajas Leben hier begonnen und Évis Leben eine
neue Richtung genommen hatte, an diesem Ort, der sich durch nichts
auszeichnete, an den Évi sich aber genau erinnerte, weil sie hier den Zirkus
durchs hohe Tor verlassen hatte und losgezogen war, mit einem Kind, das nicht
ihr Kind war und doch zu ihr gehörte, seit sie und Zigi ihren Waggon
aufgegeben, seit sie sich von ihren Freunden verabschiedet, seit Zigi Aja in
einem Tuch auf seinen Rücken gebunden hatte, damit er beim Laufen die Hände
frei haben würde, und Libelle mit herabhängenden Flügeln zurückgeblieben war.
    Zwei Lastwagen standen auf dem
Platz, der für nichts anderes da zu sein schien, als den Stadtrand anzuzeigen
und auf die Wege zu verweisen, die man von hier nehmen konnte. Wir stiegen aus,
und Aja sah sich um, als könne sie etwas entdecken, das eine Brücke bauen würde
in eine Zeit, zu der sie den Ort jetzt zwar gefunden hatte, ihr ansonsten aber
alles fehlte, weil sie erst seit heute Nacht von ihr wusste und ihr Leben
plötzlich einen anderen Anfang haben sollte, anders als Aja ihn sich immer
vorgestellt hatte, und deshalb alles, was danach geschehen war, nicht mehr
gelten konnte. Évi deutete in die Luft, als könne sie die Hand ausstrecken und
uns etwas zeigen, als verschwänden die Stationen unseres Lebens nicht, sondern
kämen an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Stunde zusammen, und wir
könnten sie wiederfinden, an ihnen vorbeigehen wie an den Bildern einer
Ausstellung, und sie anschauen, als stünden die Zirkuswagen noch hier, als
könnten wir die wenigen Stufen hochgehen und durch ein Fenster wie in ein
Puppenhaus blicken, auf die kleine Spüle, den schmalen Tisch, den Zigi zum
Essen nach unten geklappt hatte und nach oben, wenn sie schlafen gingen, und
auf die Lampe, unter der Évi Pailletten an die Ärmel seiner Anzüge genäht
hatte.
    Évi stand neben Aja auf Schotter
und Kies, und alles sprang in ihre Erinnerung, als seien nicht fünfundzwanzig
Jahre, sondern nur Stunden vergangen, so deutlich war alles da, die Luft, die
ihr den Atem genommen hatte, jedes Mal, wenn sie das Zelt betreten hatte, wo
die Vorstellung des letzten Abends nachhallte, wenn die Artisten auf Einrädern
durch die gedämpften Laute ihrer Probe fuhren, als Kommando in die Hände
klatschten und mit der Zunge schnalzten. Plötzlich war der weiche Boden wieder
da, unter ihren Schuhen schob er sich über den Kies und verstreute Sägespäne,
damit Évi ihn noch einmal spüren konnte, auch den Sog der Dunkelheit im Zelt,
die das Tageslicht ausgesperrt hatte. Sie konnte die dicken schwarzen Planen
zur Seite schieben und mit einem Blinzeln hinausgehen, zu den Wagen, die so im
Kreis aufgestellt waren, damit die einzelnen Buchstaben den Zirkusnamen ergaben,
über den kleinen Fenstern, die nach außen gekippt und mit Riegeln festgesteckt
waren, an denen Wäsche trocknete. Évi sagte, sie könne das Akkordeon spielen
hören, die klirrenden Scherben, die am Abend vor ihrer Hochzeit zu ihren Füßen
gelegen hätten. Unter dem großen Tuch, das sie im Sommer an die Seile gebunden
hätten, damit es seinen Schatten auf den Platz werfe, könne sie Libelle sehen.
Obwohl ihre Züge mit den Jahren verschwommen seien, könne sie ihr Gesicht jetzt
deutlich erkennen, unter der schwarzen Kappe, die spitz auf ihre Nase zeige,
ihre gespreizten Finger, die auf ihren Schenkeln lägen, und die lilafarbenen
durchsichtigen Flügel, die auf ihrem Rücken zitterten.
    Alles habe sich damals fremd
angefühlt, nachdem Évi und Zigi durch die schmale Zeitschleuse geschlüpft und
über die grüne Grenze in den Westen gelaufen seien. Alles war ähnlich fern oder
nah gewesen, keine Grenze hatte sie mehr zurückgehalten, auch keine in
Gedanken. Weiter als je zuvor hatte sie blicken können, und weil sich die ganze
Welt plötzlich vor ihr aufgetan hatte, hatte sie geglaubt, in jede Richtung
loslaufen zu können, wenn es sein müsste, auch ohne Zigi. Sie hatte nicht mehr
im Zirkus arbeiten wollen, jetzt, da sich trotz der dunklen Jahreszeit helle
Tage vor ihr ausgebreitet hatten, da ihr plötzlich alles möglich erschienen
war und die neue Zeit ihr eine Leichtigkeit gegeben hatte, nicht wie bei Zigi,
den sie niedergedrückt und verwirrt hatte, als sei er aus einem Netz
festgefügter Maschen gefallen und wüsste nicht, wohin, als kenne er sich nirgendwo
mehr aus und müsse seine schnellen Schritte erst einmal verlangsamen. Évi zog
es in den Süden und Zigi in

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