Bank, Zsuzsa
legte, wenn Zigi Ajas Hand losließ, bevor er in den Bus sprang,
und Évi ein letztes Mal hielt, als wolle er sagen: Es ist gut, wie es ist, ich
sehe, es ist gut so.
Zigi schrieb Libelle selten, und
wenn, schrieb er wenig, ließ seine Anschrift weg und schickte keine Fotos.
Libelle erfuhr nichts von Ajas Schneeunfall, von den zwei Fingern, die
fehlten, obwohl Évi gesagt hatte, Zigi müsse ihr schreiben. Libelle hatte sich
entfernt, in Kilometern und Gedanken, nichts wies daraufhin, dass sie
irgendwann gegen ihre Abmachung die Fährte zu Aja aufnehmen würde. Trotzdem
hielt Évi den Schneeunfall für eine Strafe Gottes, weil Aja nicht ihr Kind war
und weil sie an Gott und seine Strafen glaubte. So wie Zacharias und all die
anderen aus Évis kleiner schwarzer Bibel, von denen sie uns oft erzählt hatte,
bestraft worden waren, glaubte sie, auch sie sei bestraft worden, weil Aja bei
ihr blieb und nicht bei Libelle, obwohl Zigi und Libelle es so entschieden
hatten. Zigi hatte Évi nie vorgeworfen, Aja an einem Winternachmittag spazieren
gefahren zu haben, nachdem der Regen über Nacht zu Eis auf den Straßen und
Gehsteigen geworden war, und doch zählte Évi sich seit dem Schneeunfall zu den
Verdammten, hatte deshalb den kleinen Altar neben dem Fliegengitter und
vergaß sonntags nie, in die Kirche zu gehen. Zigi wusste, Évi machte sich
genügend Vorwürfe, er brauchte sie nicht zu ermahnen, auf Aja besser
aufzupassen, und deshalb sprach er auch nie davon, in den wenigen Wochen, die
ihm heilig waren, wenn er in Évis Bett schlief und an ihrem Tisch aß, wenn er
Aja auf den Schultern über die abgemähten Felder trug und Évi sich zurückzog,
damit Aja aus diesen hellen Tagen genügend mitnehmen und es für ein Jahr wieder
reichen würde, wenn sie vorgeben konnten, sie seien eine Familie wie jede
andere, obwohl Évi gerade dann spürte, Aja war nicht ihre, sie war allein Zigis
Tochter.
Mit den Jahren wurde die Angst
kleiner, Libelle würde eines Tages am Tor stehen und nach Aja fragen. Évi
hatte sie in ihre Nächte gebannt, wenn sie unter einem Licht eingeschlafen war
und Aja im Traum in einen Zug steigen und davonfahren sah. Aber sie haderte mit
sich, als Aja in den Waldsee gefallen, als sie ihr ein zweites Mal entglitten
war, weil sie nicht aufgepasst hatte. Als meine Mutter Aja aus dem See gezogen
und ihr später die ersten passenden Sandalen gekauft hatte, hatte es Évi nicht
gemocht, weil es in eine Zeit fiel, von der Aja und ich auch erst jetzt
erfuhren, als man Aja hatte zu einer fremden Familie bringen wollen und Évi
vor Schreibtischen gesessen und sich vorgenommen hatte, nicht zu weinen, im
selben Haus, in dem sie Jahre später ihren Pass abholen sollte, und es erst vorbei
gewesen war, nachdem meine Mutter die Amtsstuben mit Évi abgelaufen war, Évis
Haus hatte richten lassen und mit mir an der Hand rund um den großen Platz von
Tür zu Tür gegangen war und die Leute dazu gebracht hatte, keine
Lügengeschichten über Évi zu erfinden und wieder Kuchen bei ihr zu bestellen.
Die Zeiten häuften sich, in denen Évi vergaß, an Libelle zu denken, sich ein
Bild von ihr zu machen und sich auszumalen, unter welchem Zirkuszelt sie
gerade zu welchen Sprüngen ansetzte und wer ihr dabei zuklatschte. Libelles
Gesichtszüge verschwammen in ihrer Erinnerung, was ihr im Gedächtnis blieb, war
ihre Art sich zu bewegen, die Finger zu spreizen, bevor sie die Hände hochriss
und lossprang, und es wollte ihr nicht gelingen, in Aja nicht auch Libelle zu
sehen, wenn Aja durch ihr Zimmer, durch den Flur hinaus in den Garten tanzte,
wenn sie von ihrer Linde kletterte und auf einem Bein den schmalen Pfad hinab
zu den Maisfeldern hüpfte. Trotzdem fing Évi an, durcheinanderzubringen,
wessen Tochter Aja war, wenn Aja sich im Waldsee an Évis Schultern festhielt,
wenn sie nebeneinander im Bett lagen, damit Aja nicht frieren musste, wenn Évi
ein Tuch zwischen die Birnbäume band, damit Aja darin schaukeln konnte, wenn
sie Ajas bunte Stifte mit dem Küchenmesser spitzte und ihren Ranzen zur Schule
trug, wenn sie am heißesten Tag des Jahres Girlanden in die Zweige vor dem
Küchenfenster hängte und am Abend, nachdem alle gegangen waren, im Garten blieb
und die Rufe und Stimmen nachklingen ließ. Wenn sie neben Aja am großen Platz
vor einer Auslage stand und sie sich im Fensterglas spiegelten, mit ihren
wirren Haaren und schiefen Hüten, wollte sie glauben, was alle in Kirchblüt glaubten
- dass sie aussahen wie Mutter und
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