Bank, Zsuzsa
auf den Birnbaum zu schauen, der im Hochsommer das Licht in
Stücke brach, und auf das Band, das Zigi vor Jahren um einen Ast gewickelt und
dem das Wetter die gelbe Farbe schon lange genommen hatte.
Vielleicht war es nur ein Zufall,
dass Évi anfing, krank zu werden, als Aja gerade damit anfing, Kranke zu
heilen, dass sie Namen zu vergessen und zu vertauschen begann, obwohl seit
Jahren dieselben Leute ihre Filme bei ihr abgaben und Évi immer dieselben Namen
mit ihren schrägen Buchstaben auf die Umschläge geschrieben hatte. Niemand
hatte seinen Zettel je auf die Theke legen müssen, weil Évi jeden Namen gekannt
und gewusst hatte, wann der Film abgegeben worden war, selbst am ersten Samstag
nach den Ferien, wenn das Glöckchen viele Male klingelte und man sich im
Fotoladen drängte, waren ihr die Namen und Tage nie durcheinandergeraten. Jetzt
brauchte sie lange dafür, die Kameras mit einem Filztuch aus der Vitrine zu
nehmen und auf die Theke zu legen, und sie musste auf den weißen Schildern nach
den Preisen schauen, die sie früher alle hätte aufsagen können, die Preise für
Objektive und Taschen, für Stative und Batterien und was im Laden sonst noch zu
kaufen war. Am Abend vergaß sie, die Fenster im Hof zu schließen, am Morgen
ließ sie den Schlüssel neben dem Fliegengitter liegen und suchte in allen
Taschen, wenn die ersten Kunden schon vor dem Eingang warteten. Am besten vergesse
Évi gleich alles, sagte Aja, sie könne fast neidisch werden, und sie sagte es
in diesem scharfen Ton, von dem ich geglaubt hatte, ihn nicht mehr hören zu
müssen.
Nur mir machte es damals noch
nichts, wenn Évi länger für alles brauchte, wenn sie die Tür zum Fotoladen
dreimal auf und wieder zuschloss und am Knauf rüttelte, um zu sehen, ob die Tür
auch verschlossen war, wenn sie immer die gleichen Fragen stellte, die ich
längst schon beantwortet hatte, wenn sie unter dem Kirchturm stehen blieb, um
zu prüfen, ob die Zeiger der Uhr auch vorwärtsrückten, wenn wir uns für mittags
im Cafe am großen Platz verabredet hatten und sie nicht kam. Für mich blieb Évi
dieselbe, die ich als Kind gekannt hatte, die im Winter ohne Schuhe zum
Verschlag mit den Hühnern gegangen war, um Mais durch den Maschendraht zu
werfen, und die sich in Frostnächten zu den Rosenstöcken ins Gras gelegt hatte,
um zu sehen, ob ihnen die Kälte auch nichts anhabe. Ich wunderte mich am wenigsten
über die Dinge, die Évi jetzt manchmal von sich gab. Wenn sie fragte, ob es
früher auch so viel Dreck in der Welt gegeben habe, sagte ich, ja, sicher,
früher hat es auch so viel Dreck in der Welt gegeben. Wenn sie neuerdings
meinte, jedes Haus, jede Mauer habe ein Gesicht, aus jedem Haus werde
irgendwann ein Gesicht, fragte ich, welches Gesicht denn ihr Haus, ihr kleines
Haus habe. So redete ich jetzt mit Évi, wir alle redeten so mit ihr, auch Karls
Vater, Ellen und Aja, selbst meine Mutter, obwohl es sie anstrengte und immer
schief klang, weil ihr etwas daran nicht gelingen wollte, so mit Évi zu reden.
Wir gewöhnten uns daran, Évi im Sommer sagen zu müssen, den Schal zu Hause zu
lassen, und im Winter, die Schuhe mit den Holzabsätzen wegzustellen und die
gefütterten Stiefel anzuziehen. Wir alle schauten nach ihr, wann immer wir
Zeit hatten und wussten, Aja hatte ein paar Tage frei und blieb in Heidelberg.
Wir klopften an ihr Küchenfenster, riefen ihren Namen übers schiefhängende
Tor, winkten ihr vom Fahrrad, wenn wir über den Feldweg am Mais entlangfuhren,
liefen durch den Garten hinters Haus, bis wir Évi bei den Hühnern entdeckten
und sie uns auslachte, den Kopf schüttelte und fragte, was soll denn mit mir
sein, was soll mir schon geschehen. Meine Mutter schimpfte, weil Évi kein
Telefon hatte und nicht hören wollte, wenn meine Mutter sagte, sie würde es
bezahlen, auch die Leitung, die gelegt werden musste, würde sie bezahlen, sie
wolle nicht mehr jedes Mal in ihren Wagen springen, um nachzusehen, ob Évi tot
umgefallen oder nur am Küchentisch zwischen ihren Rosentassen eingeschlafen
sei, die Angst um Évi würde sie zu viele Nerven kosten und am Ende noch die
Gesundheit, aber es klang falsch und ungeschickt, so mit Évi über Gesundheit zu
reden.
Als Évi zu heizen vergaß und ihr
Haus die klamme Kälte nicht mehr loswurde, fand Aja, Évi dürfe nicht länger
allein leben. Ich schlug vor, sie solle eines der leeren Zimmer meiner Mutter
beziehen, es gebe genug davon, aber Aja schüttelte den Kopf und sagte, Zigi
müsse kommen. Sie
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