Bank, Zsuzsa
hätten wir vergessen können, dass es lange genug anders
gewesen war. Wir schauten nicht auf die Uhr, die neben dem schiefhängenden
Schrank leise tickte, als könnten wir mit diesem Nachmittag, an dem der Regen
bald schwächer fiel und das Licht sich viele Male änderte, die verlorenen
Nachmittage zurückgewinnen, als könnten wir mit diesem Besuch alle
ausgebliebenen Besuche ausgleichen und aufholen, was wir versäumt und vermisst
hatten. Später zogen wir Mäntel und Mützen über und liefen mit Évi am
Bahnwärterhäuschen vorbei zum Wald, zum kleinen See, der dunkelgrün schimmernd
zwischen Tannen lag und wegen des vielen Regens die Beine des Stegs verschluckt
hatte, an denen wir uns als Kinder beim Tauchen festgehalten hatten. Évi lief
die Böschung hinab, setzte sich aufs nasse Holz und zeichnete mit den Spitzen
ihrer Gummistiefel schwimmende Kreise ins Wasser, in dem vor Jahren Ajas
rotes Fahrrad gelegen hatte, als zwischen unseren Müttern etwas begonnen hatte,
das sie bis heute aneinanderband, mit einem unsichtbaren Faden, der nicht
reißen konnte, seit sie ihn damals vom Badesteg durch den Wald zu unserem Haus,
über den großen Platz zur Brücke über den Klatschmohn und den Feldweg hinunter
zu Évis Garten gespannt hatten.
Abends kochte Évi Reissuppe und
briet zum Nachtisch Pfannkuchen, nachdem sie im Küchenschrank das Kuvert mit
den Münzen und Geldscheinen gesucht hatte, die Karls Vater ihr gegeben hatte
und die Aja mitnehmen sollte. Aja verpasste nach zwei Gläsern Wein den letzten
Bus, und als ich fragte, ob sie in unserem Gästezimmer schlafen wolle,
schüttelte sie den Kopf und deutete mit dem Kinn zu Évis Flur, wie um mir zu
sagen, ich schlafe in meinem alten Zimmer, in dem alles unverändert ist, in dem
sogar Zigis Zeichnungen noch an den Wänden und die Papierengel vor dem Fenster
hängen. Als es vom Kirchturm zur Mitternacht schlug, brachten sie mich nach
Hause, an der Brücke über den Klatschmohn schickte ich einen stillen Gruß zum
Friedhof, und obwohl nichts wie früher war, umarmten wir uns wenig später zum
Abschied, als sei alles wie immer, als könnten wir weiterleben wie bisher, als
habe uns nichts von unseren Wegen gedrängt. Ich blieb am Tor stehen, um den
beiden nachzuschauen, ihren schnellen Schritten, ihrem wirren Haar, das unter
den Mützen hervorschaute, Aja, die neben Évi noch immer aussah wie ein Mädchen.
Kurz bevor sie um die Ecke zum großen Platz bogen, legte Évi den Arm um Ajas
Schultern, so wie sie es früher getan hatte, wenn sie nebeneinander gelaufen
waren, und Aja ließ es geschehen. Sie ging einfach weiter, mit Évis Arm auf
ihren Schultern, unter einem Mond, der hinter dem schwarzen Kreuz des
Kirchturms aussah wie mit einem Rest weißer Farbe in den Himmel getupft, als
habe jemand nur einen Pinsel säubern wollen.
Karl rief an und sagte, es
schneit, kannst du es glauben, ausgerechnet jetzt muss es schneien, wenn ihr
nicht da seid, ich dachte immer, in Rom gibt es Schnee nur in diesen Kugeln mit
Petersdom und Kolosseum, er ist eingesperrt und kann nicht hinaus. Aja hätte
den Schnee am Abend zuvor gespürt, fuhr er fort, an dem er die Schallplatten
gehört habe, die Aja und ich dagelassen hatten, Ritornerai sei von allen
Liedern sein liebstes geworden, du wirst zurückkehren, ritroverai tutte le
cose, du wirst all die Dinge vorfinden, die du zurückgelassen hast, und ich
sagte nicht: Hör auf damit, sie wird nicht zurückkehren, sie will die Dinge
nicht mehr vorfinden, aber es kam mir komisch vor, dass Karl so redete, dass er
sich plötzlich benehmen wollte wie ein Kind, dem der Verstand noch fehlt und
dem man daher nichts erklären kann, weil ich geglaubt hatte, er habe Aja
aufgegeben und sich abgefunden damit, dass wir abgereist waren. Nach einer
Pause sagte er: Seri, ich gehe durch die Zimmer und sehe, ihr seid nicht da,
ich kann nicht glauben, ihr habt mich alleingelassen, und es klang, als rede
nicht Karl, als sage es stattdessen ein anderer für ihn, weil es nicht zu Karl
passte, etwas zu sagen, das nach einem Vorwurf klang, weil es nie seine Art
gewesen war, irgendwem Vorwürfe zu machen, schon gar nicht Aja oder mir. Karl
wusste schon von den Kuchenbestellungen. Er sagte, sein Vater habe nicht viel
erklären müssen, ihm sei schon im Mai etwas aufgefallen, als Évi mit dem
Stützkissen im Nacken aus dem Flugzeug gestiegen war. Etwas habe in ihrem Blick
gelegen, in ihren Antworten, für die sie noch länger gebraucht hatte als
sonst. Er frage sich,
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