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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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gesehen, wie sie jetzt
wieder durch Kirchblüt liefen, Aja wie ein Mädchen in der Mitte, das Évi und
Zigi beim Abschied in den Armen hielten, als wollten sie es nicht loslassen und
hergeben, jedes Mal, wenn Aja an der Ecke zum Krankenhaus abbog. Niemand hätte
ahnen können, etwas hatte Aja von ihren Eltern weggerissen, etwas hatte sich
zwischen sie gedrängt und ließ sich nicht mehr wegschieben.
    Évi glaubte nicht, dass Zigi
bleiben würde, auch wenn er es ihr jeden Tag viele Male sagte. Wenn sie am
Morgen Wasser aufsetzte und Kaffee in die Kanne gab, rechnete sie damit, er
würde seinen Koffer unter dem Bett hervorziehen, seine wenigen Kleider
hineinlegen, die Schlösser zuschnappen lassen und sich aufmachen. Den ganzen
Sommer über wollte sie nicht glauben, dass Zigi seinen Koffer unter dem Bett
und seine Kleider in den Schubladen ließ, dass er nicht im ersten Licht über
den Feldweg nach Kirchblüt lief und in den Bus stieg, sich nicht aus der Tür
lehnte und mit seinem Hut winkte. Im Herbst dachte sie, jetzt sei die Zeit gekommen,
und als das Jahr auf Weihnachten zuging, bereitete sie sich noch immer am
Abend darauf vor, Zigi in der Frühe zur Haltestelle zu begleiten und im gelben
Schein der Laternen ohne ihn zurückzulaufen. Wir konnten ihr zusehen, wenn sie
Mütze und Handschuhe zurechtlegte, den Schirm suchte und die grünen
Gummistiefel ans Fliegengitter stellte, damit sie am Morgen schnell
hineinschlüpfen könnte. Ein ganzes Jahr dauerte es, bis sie begriff, am Abend
würde Zigi wieder mit ihr zu Bett gehen und am Morgen wieder neben ihr aufwachen,
weil es ihm nicht mehr zustand, sich aufzumachen und loszuziehen. Seit Aja das
Kuvert mit den roten Buchstaben geöffnet und Libelle über die Wand hatte
tanzen sehen, stand es ihm nicht mehr zu. Seit Aja Rom verlassen hatte, seit
sie wusste, sie war nicht in Évis Zirkuswagen geboren, seit sie an einer lauten
Straße vor Libelles Haus gewartet hatte, seit Zigi in Kirchblüt angekommen war
und Aja ihn am Tor zum Krankenhaus angeschrien und Erklärungen verlangt hatte,
für die Zigi die ersten Tage und Nächte nicht gereicht hatten, seitdem stand es
ihm nicht mehr zu, sich aufzumachen und zu gehen. Zigi würde in Kirchblüt
bleiben, im Frühling würde er die Vogelhäuser im Garten abnehmen und die Äste
mit einer langen Schere zurückschneiden, im Sommer würde er das Dach richten,
im Herbst die Blätter des Birnbaums zusammenkehren und im Winter die Eiszapfen
von den Fensterrahmen schlagen. Irgendwann würde er vielleicht das
schiefhängende Tor anheben und so festschrauben, dass es nicht mehr am Boden
schleifte.
    Zigi hatte Bündel von Geldscheinen
in die Seitentaschen seines Koffers gestopft gehabt, und weil Évi nicht gewusst
hatte, wo sie die Packen verstecken sollte, war Zigi zur Bank am großen Platz
gegangen, hatte das Geld wechseln lassen und auf Évis Konto eingezahlt, und
wenn sie davon brauchten, füllte er an der Kasse den rosafarbenen Zettel aus
und legte ihn in den Drehteller. Meine Mutter gab ihm Arbeit in der Spedition,
wo er Kisten verlud und jeder wusste, wer er war, dass er mit Évi hinter
Kirchblüt lebte, wo sich die Feldwege kreuzten und drei Linden am Zaun standen.
Obwohl Zigi sich weigerte, mit dem Zollstock zu messen und etwas an der
Wasserwaage auszurichten, ließ Karls Vater ihn auf seinen Baustellen aushelfen
und zahlte ihm schon am Abend das Geld aus, weil er jedes Mal glaubte, Zigi
würde am nächsten Tag nicht mehr kommen. Schließlich konnte jeder sehen, dass
Zigi nicht auf eine Baustelle gehörte, es gab einen anderen Ort für ihn,
allein schon daran konnte man es sehen, wie er in hohem Bogen Tee aus einer
Kanne goss, wie er über die Bretter balancierte, die als Brücken durch den
Schlamm gelegt waren, und wie er mit einem Mal aus dem Stand hochsprang, um
sich an einem Gerüst hochzuziehen, loszulassen und die Füße trotz schwerer
Schuhe leise aufzusetzen.
    Einmal, an einem Sonntag, ging
Zigi mit Évi in den Zirkus. Zigi habe etwas in Évis Tage zurückholen wollen,
das sie vor langer Zeit geteilt hätten, sagte meine Mutter, die sie im Wagen
hinfuhr, aber nach der Vorstellung habe Évi nur einen Stock aufgehoben und zwei
Flügel in den Staub gezeichnet. An einem anderen Sonntag hatte meine Mutter
sie zu dem Platz gebracht, auf dem Aja geboren wurde, Évi habe es so gewollt.
Zigi hatte die Schuhe ausgezogen und war den Kies abgelaufen, als habe er die
Vergangenheit mit nackten Füßen besser spüren können, den ganzen

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