Bank, Zsuzsa
hatte und für die sie ihre Unterschrift hatte geben
müssen, und an Karls Blick konnte ich erkennen, er musste ungefähr das Gleiche
denken. Évi sagte, sie wisse schon, ihr Verstand löse sich auf, und viel könne
sie nicht dagegen tun, also müssten wir auch nicht vorgeben, es sei nicht so.
Sie schaute Karls Vater an, als wolle sie sagen: Ich weiß von Ihren
Bestellungen, ich weiß, es ist immer nur Ihre Handschrift. Warum man ihr auch
das bisschen Verstand noch nehmen müsse, fragte Évi, wo sie doch nie zu viel
davon gehabt habe, aber bevor sie ihn ganz verliere, wolle sie uns sagen, was
auf ihrem Grabstein zu lesen sein müsse, wenn er eines Tages auf dem
Kirchblüter Friedhof stehen würde, sie wolle sicher sein, Aja und Zigi könnten
sich nicht einfach anders entscheiden. Neulich habe sie das Radio eingeschaltet
und diesen Satz gehört, vielleicht sei er aus einem Lied, einem Schlager, der
vorher gelaufen sei und den sie versäumt habe, weil sie die Lautstärke zu spät
aufgedreht habe. Karl müsse den Satz aufschreiben, der auf dem Stein stehen
solle: Die hellen Tage behalte ich, die dunklen gebe ich dem Schicksal zurück.
Zigi konnte an unseren Gesichtern sehen, dass etwas nicht stimmte, und Ellen
wiederholte es für ihn auf Englisch, aber weil es plötzlich still geworden
war, flüsterte sie nur. Karl nahm den Zettel, den Évi auf den Tisch gelegt
hatte, und schrieb zwischen die Linien, auf denen sonst die Kuchensorte stand,
die bestellt, und die Anschrift, an die geliefert werden sollte. Er schrieb es
auf, wie Évi es soeben gesagt hatte, er musste nicht nachfragen, er hatte sich
den Satz sofort gemerkt, so wie Aja und ich, und wir schauten ihm zu, wie er
die Buchstaben im Halbdunkel aufs weiße Papier setzte, die hellen Tage behalte
ich, die dunklen gebe ich dem Schicksal zurück. Aja sagte: Damit sie ein
anderer nimmt, oder wie stellst du dir das vor?, und wieder fiel sie in ihren
alten Ton zurück, als habe sich ihre Wut auf Évi in all der Zeit doch nicht
gelegt, als sei sie in diesem Augenblick nur größer geworden. Niemand wusste
etwas zu sagen, nichts fiel uns ein, weil wir an alles andere als an Évis Grab
gedacht hatten, bevor Évi diesen Satz über helle und dunkle Tage ins
flackernde Licht der Kerzen geworfen hatte, den wir nicht hatten hören wollen
und der nicht zu diesem Sonntag passte, an dem Karl nach Kirchblüt gekommen war
und ich ihn unter Platanen hatte umarmen können.
Karl faltete den Zettel und
steckte ihn in seine Hosentasche, als wir um Mitternacht aufbrachen. Er sagte,
er sei noch nicht in Évis Küche gewesen, und verschwand im Haus, nahm das
Kästchen aus Blech vom Regal, klappte es auf und strich mit den Fingern über
das bunte Glas der Murmeln. Seine Eltern schauten durchs Fenster, zum ersten
Mal schauten sie Karl zu und wandten ihren Blick nicht ab, sie ließen es zu,
dass er vor ihren Augen die Murmeln über Évis schiefen Küchentisch rollen ließ
und Kugel für Kugel langsam zurück ins Kästchen legte. Aja kam mit mir, Karls
Vater leuchtete uns den Weg, und wir folgten dem suchenden Licht seiner
Taschenlampe. Ellen stieg in ihren Wagen, kurbelte das Fenster nach unten, ihr
blondes Haar lag auf dem großen Kragen ihres Mantels, als sie sich nach uns
umdrehte und winkte. Es dauerte, bis sie den Feldweg hinunterfuhr und am Ende
auf die große Straße einbog, die sie nach Heidelberg zurückbrachte, und einen
Augenblick lang glaubte ich, sie würde nicht fahren, sie würde mit uns in
Kirchblüt bleiben wollen, obwohl sie am Tor zu Évi gesagt hatte, sie habe nicht
über Grabsteine reden wollen, von Toten habe sie genug, es reiche für den Rest
ihres Lebens. Wir gingen ohne ein Wort durch die Dunkelheit am Bachlauf
entlang, der in diesem Frühling kaum Wasser führte. Die Felder schickten ihre
feuchte Kälte, von der uns fröstelte, vielleicht war es auch das Reden über
Grabsteine gewesen, das uns frieren ließ. Vor der Brücke über den Klatschmohn
fragte Karl, was wir nur hätten, das mit den hellen und dunklen Tagen und dem
Schicksal, das sei doch Évi, das sei doch ganz und gar Évi, wenn einer etwas
von hellen und dunklen Tagen verstehe, dann wohl Évi. Was Aja daran störe,
fragte er, mit Toten würden wir uns doch alle gut auskennen, und ich wusste, so
wie Ellen dachte er jetzt an seinen Bruder und nicht an Évi, auch wenn sie auf
diese Art zum ersten Mal ausgesprochen hatten, Ben könne tot sein.
Jetzt, da ihre Zeit in Rom nur
eine Erinnerung war und Aja gesagt
Weitere Kostenlose Bücher