Bank, Zsuzsa
bedeutete. Erst war es Évi komisch
vorgekommen, dass jemand in seiner Muttersprache Erklärungen brauchte für
Wörter, die er doch alle kennen musste, aber dann stellte sie das Buch auf ihr
Küchenregal, neben die Blechdose für Karls Bruder, und nahm es an den Abenden,
um wie in einem Roman darin zu lesen. Évi schaute nur noch bei meiner Mutter
vorbei, wenn sie nach dem Fotoladen den Umweg machte, um weiter Gläser mit
Marmelade und Kompott zu bringen, als könne sie nicht aufhören, meiner Mutter
zu danken. Obwohl meine Mutter sie hereinbat, blieb Évi am Tor stehen, als habe
sie keinen Grund mehr, unser Haus zu betreten, als habe sie ihr Recht darauf
mit dem letzten Buchstaben des Alphabets verwirkt. Meine Mutter hängte die
Schnur mit den farbigen Blättern ab, die unser Haus von Sommer zu Sommer
geschmückt hatte, und plötzlich sah es leer aus, ohne die Buchstaben und
Wörter, die Évi mit meinen Buntstiften geschrieben hatte. Nach ihrer letzten
Deutschstunde hatte meine Mutter Évi einen Füller geschenkt, den man
aufschrauben konnte, um aus einem Glas Tinte zu ziehen, von der Évi tiefblaue
Flecken an den Händen hatte, die sie nur schwer abwaschen konnte. Évi nahm den
Füller selten, ihre Karten schrieb sie mit einem Bleistift aus der Küchenschublade,
aber wenn sie in ihrem dicken Buch durch die Seiten blätterte, stellte sie das
Kästchen neben sich und strich über den dunklen Stoff, mit dem es bezogen war
und in dem der Füller lag wie eine Schlafende.
Évi hatte den ersten von Zigis
Briefen an einem milden Herbstsonntag nach dem Gottesdienst gelesen, in dem sie
sich öfter als sonst bekreuzigt hatte. Aja sagte, sie habe nicht mehr nach den
drei Buchstaben suchen müssen, die sie zu ihrem Namen zusammenfügen konnte, sie
habe die vielen anderen Namen darin entdeckt und in der Küche laut vorgelesen,
die Zigi ihr in seinen Briefen gab. Als sie den Brief beiseitegelegt habe, sei
sie eine Weile still auf ihrem Stuhl sitzen geblieben, und die eine Strähne,
die ihr ins Gesicht gefallen sei, habe sie nicht wie sonst zurückgestrichen,
sie habe sie gar nicht bemerkt, als sie ihren Blick zerteilt habe. Dann habe
sie den roten Koffer mit den Verschlüssen aus Messing, den Fächern für Scheren,
Feilen und Bällchen aus Watte geholt, den sie im Garten unter den Birnbäumen
öffnete, wenn sie ihre Nägel lackieren wollte. Sie habe das schiefhängende Tor
angehoben und hinter sich zugezogen und sei über den Feldweg gelaufen, den
Koffer in der einen und Aja an der anderen Hand, zur Brücke über den Klatschmohn,
für den sie dieses Mal keinen Blick gehabt habe, hinunter ins Städtchen, über
den leeren großen Platz unter den Platanen, deren Blätter noch immer sommergrün
waren, bis sie drei Straßen weiter am Telefonhäuschen in unsere Straße
eingebogen seien, wo Évi nicht mehr stehen geblieben sei, um noch einmal tief
Luft zu holen, sondern ohne zu zögern zu unserer Tür gegangen sei und nicht
gewartet habe, bis meine Mutter sie bemerken würde, sondern zum ersten Mal
angeklopft habe. Sie sei gekommen, um meiner Mutter Sommerfüße zu machen, hatte
Évi gesagt, obwohl der Herbst schon in den Wald drängte, seine ersten Farben
auf die Blätter gesetzt und Zigi angekündigt hatte, der bald das Schiff und den
Zug und hinter der Bushaltestelle den Weg unter den Kastanien aus Kirchblüt
hinaus nehmen würde, bis zu dem schmalen Pfad, an dem er Évis Haus und Garten
und unsere Linden schon würde sehen können.
Meine Mutter hatte aufgehört, über
Évi zu staunen. An den Abenden dieses schnellen Sommers hatte sie aufgehört damit,
wenn Évi ihre Hefte aufgeschlagen und gewartet hatte, bis meine Mutter sie
loben würde, für die vielen Buchstaben, die sie sauber auf die vorgezeichneten
Linien gesetzt hatte. Évi musste meiner Mutter nicht erklären, warum sie an
diesem Sonntag kam. Gerade hatte sie angefangen, in Zigis Briefen zu lesen, und
sich in eine Welt begeben, die meine Mutter mit den Buchstaben des Alphabets,
auf den Linien ihrer grauen Papiere, Silbe für Silbe für sie eröffnet hatte. Meine
Mutter setzte sich in ihren roten Sessel, ließ Évi einen Hocker davorstellen
und ein Handtuch auflegen, und während Aja und ich mit angezogenen Knien auf
dem Teppich saßen und zuschauten, ließ sie Évi ihre Nägel lackieren, obwohl
sie Lack auf den Nägeln nie gemocht hatte, mit rosa Farbe, die Évi geschüttelt,
gegen das Fenster gehalten und wieder geschüttelt und die sie ausgesucht
hatte, weil sie fand,
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