Bank, Zsuzsa
klemmte es fest, damit Évi es beim nächsten Mal nicht missen
müsste. Obwohl sie sich an vielem störte und es immer Dinge gab, die ich
brachte und die sie in unserem Haus nicht haben wollte, störte es sie nicht,
dass eine Schnur unsere Zimmer teilte, und es machte ihr nichts, wenn sie sich
an den scharfen Papierbögen schnitt, wenn sie die Treppe hochstieg und die
Blätter ihr Haar streiften, wenn Besuch kam, der sich hinter dem Eingang in der
Schnur verfing, in den bunten Buchstaben, die sich das Haus mit uns seit jenem
Sommer teilten.
Am Abend wartete sie auf Évi, als
könne sie nichts Besseres mehr mit ihrer Zeit anstellen, als am Fenster zu
stehen und die Tür zu öffnen, sobald Évi am Tor auftauchte und über den Hof
ging, mit ihren kleinen, schnellen Schritten, in der Hand einen Korb, in dem
sie unter Küchentüchern immer etwas brachte, das sie gebacken, gekocht und
eingemacht, das sie von ihren Beeten gepflückt und mit Gräsern zu einem Strauß
gebunden hatte. Erst hatte meine Mutter abgewehrt, hatte die Hände gehoben,
mit den Armreifen gerasselt, den Kopf geschüttelt und gesagt, kein Mensch
könne so viel essen, Évi müsse ihr nicht danken, sie solle ihr nichts
mitbringen. Aber Évi stellte weiter Glas um Glas auf den Küchentisch, und meine
Mutter fing an, die Dinge anzunehmen, die mit jeder Woche, für die sie sich
vier Buchstaben vorgenommen hatten, mehr wurden und bald ein eigenes Regal
brauchten. Meine Mutter ließ eins anbringen, in der Farbe der Schränke, damit
es passte, und doch sah es anders aus, mit all den Gläsern mit Marmelade, Kompott
und eingelegten Gurken, von denen wir nie so viel essen konnten, dass sie mit
der Zeit weniger geworden wären, mit ihren breiten roten Gummis und den
Verschlüssen aus Draht, den Etiketten, die Évi aufgeklebt und beschriftet hatte,
mit ihren schiefen, spitzen Buchstaben, die sich immer um den Platz zu streiten
schienen. Manchmal stand meine Mutter vor dem Éviregal, wie wir es nannten, und
schaute auf die Gläser, als seien sie Trophäen, auch wenn sie über Évis
Schrift, über die Fehler darin lachen musste. Dann nahm sie eins in die Hände,
um es an einen anderen Platz zu stellen, die Gläser zurechtzurücken und so zu
drehen, dass die Schrift gut zu sehen war. Évis Buchstaben hatten den Weg in
unser Essen gefunden, wir strichen ihre Bögen auf unsere Brote und gossen ihre
Schwünge über unseren Pudding. Wenn wir in eine Gurke bissen, die Évi für uns
eingelegt hatte, hörten wir ihre Stimme, mit der sie beim Lesen stockte und
stolperte, bis sie ein Wort schließlich sagen konnte, und wenn wir dunkle
Marmelade mit einem Löffel aus dem Glas nahmen, fragten wir uns, ob Évi das
Wort dazu jemals richtig würde schreiben können.
Meine Mutter störte sich nie an Évis
Langsamkeit, an der Mühe, die sie hatte, die Wörter, auf die meine Mutter mit
einem Stift deutete, flüssig zu lesen, schnell zu wiederholen und nicht gleich
zu vergessen. Mit Évi zeigte sie eine Geduld, die sie mir gegenüber nie
gezeigt hatte, und ich fragte mich, warum sie ausgerechnet mit Évi die Geduld
nicht verließ, wo sie sonst bei vielem die Geduld verlor, warum es sie nicht
störte, wenn Évi die gleichen Fehler wieder und wieder machte, wenn sie Seide
mit A und J schrieb und Sand mit Z und nicht mit S, weil sie das wenige, was
sie übers Schreiben wusste, aus ihrer Sprache in unsere übertragen hatte. Auch
das Zählen brachte meine Mutter ihr bei, nach drei Wörtern nannte sie Évi eine
Zahl und dann noch eine, Évi sollte sie zusammenrechnen, voneinander abziehen
und noch eine hinzufügen, und Évi hatte Freude daran, zu rechnen fiel ihr
leichter, als zu schreiben. Sie hatte meiner Mutter die Liste aus Strichen und
Kreisen gezeigt, mit der sie sich durch den Kalender, durch ihre Rechnungen
und die Kassenzettel im Fotoladen arbeitete und die sie sonst hinter ihrem Schrank
versteckt hielt, den Zigi mit zwei Türen gezimmert und über die Herdplatten
gehängt hatte. Bald würde sie die Liste nicht mehr brauchen, sagte meine
Mutter, und wenn Évi kam, nahm sie unseren Kalender von der Wand und ging mit Évi
jeden Monat und jeden Tag durch, schüttelte aus ihrer Handtasche Quittungen und
Belege und ließ Évi Posten um Posten nachrechnen.
Évi hatte es aufgegeben, vor Aja
geheim zu halten, dass sie erst jetzt lesen lernte, Buchstaben mit einem Sinn
und Klang zu füllen begann, etwas, das sonst jeder zu beherrschen schien, auch
Aja, Karl und ich, ohne dass wir darüber
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