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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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dem
großen Platz jeden Nachmittag an einem kleinen Stand Marzipan für uns
schneiden und kaufte heiße Maronen, Rosinen und getrocknete Aprikosen, die er
vor unseren Augen durch die Luft warf und mit dem Mund auffing. Im Futter
seiner dunklen Hose hatte er zwei Bündel Geldscheine mitgebracht, und als er
sie am Bankschalter eintauschte, bekam er so viele Noten dafür, dass er sie mit
Wäscheklammern zusammenhalten musste. Zigi war es gleich, was die Dinge
kosteten, er machte sich nie die Mühe, ihren Preis umzurechnen. Wenn er mit
Aja einkaufen ging, durfte sie aussuchen, was sie wollte, und wenn sie später
mit ihren Tüten und Päckchen in Évis Küche standen, hielt Évi sich zurück, auch
wenn sie glaubte, Aja brauche nichts davon. Aja hatte eine hellblaue
Strickjacke genommen, deren Ärmel nicht zu lang waren und die schnell zu ihrer
liebsten wurde, im selben Ton Fäustlinge mit feinen silberfarbenen Lurexfäden,
die an ihrer Haut kratzten, und für ihre Schlittschuhe neue Kufenschoner, weil
deren Drähte und Federn sich gelöst hatten und Aja sie mit einem roten Gummi
von Évis Weckgläsern hatte festbinden müssen.
    Wenn Karls Vater an den
Vormittagen kam, um die großen Blechdosen mit Anissternen und Springerle zu
holen, für die er schon im September neue Einsätze gebaut hatte, stand er mit
Zigi am Zaun, wie in jedem Herbst, seit sie sich kannten. Während ich neben
Karl auf den Stufen zum Fliegengitter saß, begrüßten sie einander wie alte
Freunde und sprachen sich mit Vornamen an. Zigi hatte einmal gesagt, er könne
sich keine Nachnamen merken, Karls Vater solle ihm daher seinen gar nicht erst
sagen, und ihn selbst solle er bloß Zigi nennen, seinen vollen Namen müsse er
sich nicht merken, aussprechen könne ihn hier sowieso niemand. Karls Vater
öffnete sich Zigi, wie er sich sonst keinem öffnete, und vielleicht lag es
daran, dass Zigi bloß die Hälfte von dem verstand, was er sagte. An jedem
dieser Vormittage erzählte er von Karls Bruder, und Zigi fügte die Stücke
seiner Erzählungen so gut er konnte zusammen, bis Karls Vater an einem
Samstagmorgen, bevor er mit drei Christstollen und vier Pfefferkuchenhäusern
losfuhr, seinen großen Kopf auf Zigis Schulter legte und Zigi ihn ungeschickt
umarmte und mit flachen Händen auf seinen breiten Rücken klopfte, genauso, wie
er die Wände rund um Évis Haus abklopfte. Évi hatte Karls Vater in seine Welt
zurückgeschickt, aus der er gefallen war, als sein Sohn verschwand. Kleine,
unsichtbare Brücken hatte sie gebaut, über die er auf seinem schwarzen Rad ohne
Schutzbleche rollte, um sich an ihrem Küchenfenster zu zeigen und unter ihrem
Birnbaum zu warten, bis sie den Kuchen bringen würde, den er über dieselben Brücken
zurück ins Städtchen fahren würde, um danach mit einem spitzen Bleistift unter
einer großen Lampe Häuser zu zeichnen, die alle aussahen wie Évis Haus. Évi
hatte alles anders geplant und sich mit Karls Vater und Ellen alles anders
vorgestellt, jedenfalls seufzte sie oft genug darüber, wenn beide zur gleichen
Zeit in ihrem Garten standen und einander kaum anschauten. In ihrem Leben hatte
sie keinen Platz für Karls Vater, auch wenn er gern dazugehört hätte, nicht in
ihrem Garten, wo er den Rasen schnitt und das Holz mit einem flachen Pinsel
ölte, wenn Zigi nicht da war, und nicht in ihrem Haus, durch dessen schmalen
Flur er ging wie ein Riese, der den Kopf einziehen musste, um nicht an Decken
und Türrahmen zu stoßen.
    In diesem Herbst, in dem Aja jeden
Nachmittag mit ihren neuen Kufenschonern über den großen Platz ging, sah Zigi
sie zum ersten Mal auf dem Eis laufen. In den Jahren zuvor hatte die Bahn erst
geöffnet, wenn Zigi schon abgereist war, und Aja hatte jedes Mal vor Zorn
geweint, weil sie Zigi nur auf dem Gartentisch hatte zeigen können, wie sie sich
auf Schlittschuhen bewegte, wie sie ihren Kopf, ihre Arme dabei hielt, zu
welchen Drehungen und Sprüngen sie schon ansetzte und wie sie nach einem Lauf
stehen blieb, die Füße kreuzte und den Kopf zur Brust fallen ließ, als verbeuge
sie sich vor ihren Zuschauern. Jetzt aber, da Zigi bis in den Advent hinein
bleiben konnte, ging er jeden Tag mit Karl und mir über den großen Platz, um
Aja zuzusehen, in seinem dunklen Anzug, dessen Hosenbeine zu kurz waren und
aus deren Saum Fäden hingen, mit seinem schwarzen Filzhut, dessen Krempe Aja an
einer Seite hochgeschlagen hatte, und mit einem langen bunten Schal, den Évi an
den Abenden aus Wollresten gestrickt und

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