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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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gestört werden, hinter der hölzernen Absperrung, über die Aja ihren
Mantel geworfen hatte, den Évi nicht mehr größer kaufte, seit Aja aufgehört
hatte zu wachsen.
    Von weitem sahen sie aus wie
Kinder in den Kleidern ihrer Eltern, als spielten sie nur Erwachsene, Zigi mit
seinem bunten Schal und Évi in ihrer dunklen Strickjacke, die sie an den
Ellenbogen und Kragenrändern längst schon im Licht der kleinen Lampe hatte
stopfen wollen. Évi hatte heißen Tee in einer Kanne mitgebracht, sie goss davon
in zwei Becher aus Blech, die sie auf die Bank stellte, weil sie wusste, Aja
würde heute lange laufen, an Zigis letztem Abend würde sie alles zeigen wollen,
was sie in den jüngsten Wochen gelernt hatte, wenn er zu ihr aufs Eis gegangen
und eine Schrittfolge für sie abgelaufen war. Aja sah anders aus an diesem
Abend. Seit sie ihren Mantel abgelegt hatte, sah sie anders aus, und sie
bewegte sich anders als sonst, hielt die Schultern, die Arme anders, als sie
übers Eis glitt und erst den Kopf drehte, dann den Körper und rückwärts weiterlief.
Auch Zigi und Évi mussten es merken, mit jedem Schritt, den Aja tat, während
sie die Hände am heißen Blech der Tassen wärmten und von einem Fuß auf den
anderen traten, damit es ihnen auf den klammen Brettern nicht kalt wurde.
Vielleicht lag es am blassblauen Licht, das von den neuen Flutern kam,
vielleicht an den Rehsprüngen, die Zigi Aja gezeigt hatte und die sie schnell
beherrschte, vielleicht auch bloß daran, dass wir wussten, morgen würde Zigi gehen,
trotz Ajas Flehen würde er sich aufmachen, mit seinem Koffer, der schon neben Évis
kleinem Altar stand, vielleicht hatte sich deshalb etwas auf ihre Drehungen
gelegt und sie verändert.
    Ajas zitternde, fliegende
Bewegungen erinnerten Zigi an Libelle, die Frau im Libellenkostüm, die nachts
vor Évis Waggon gestanden hatte, bevor Évi ihre Sachen gepackt und sich mit
Zigi aufgemacht hatte in ihr Wanderjahr, so viel wussten wir jedenfalls später,
auch dass jetzt Évi schon an Zigis Blick hatte erkennen können, wohin seine
Gedanken plötzlich gegangen waren, weil auch Évi an sie hatte denken müssen,
weil sie gar nicht anders konnte, als an Libelle zu denken, jetzt, da sie Aja
ansah, die Steine auf ihrem Kragen funkelnd im Licht der Fluter, die weiten Ärmel
schwingend, wie sie lautlos auf einem Bein übers Eis fuhr, das andere nach oben
gestreckt, als wolle sie mit der Kufe ihren Scheitel berühren, die Arme, als
würde sie auf jemanden zugleiten und ihn umarmen wollen. Zigi hatte seinen
Becher abgestellt und Schlittschuhe angezogen, die er geliehen hatte, damit er
ein letztes Mal mit Aja gemeinsam würde laufen können. Er stieg aufs Eis, ohne
Évi anzusehen, ohne ihr etwas zu sagen, auf das sie vielleicht gewartet
hatte, stieß sich mit beiden Händen von der Absperrung und fuhr sich nicht erst
wie sonst in großen Kreisen warm. Als ziehe ihn etwas an einem kurzen Seil,
glitt er sofort zu Aja, die eine lange, schmale Acht lief, und sobald sie Zigi
kommen sah, streckte sie ihre Hände nach ihm aus, dann fassten sie sich und
liefen eng nebeneinander mit schnellen, großen Schritten, die ihr wirres Haar
flattern ließen. Zigi sagte etwas zu Aja, sie schob sich vor ihn, er nahm sie
an den schmalen Hüften, hob sie mit durchgestreckten Armen über seinen Kopf
und glitt so eine Weile mit ihr weiter, bevor er sie aufs Eis zurücksetzte und
ihren ersten Bogen mit ihr fuhr, ohne ihn vorher gezeigt oder erklärt zu haben,
Ajas Hand in seiner, sein Kopf übers Eis gesenkt, sein linkes Bein wie im
Spagat weit oben. Als sie zum Stehen kamen und sich umdrehten, die Füße
zusammenstellten, den Kopf auf die Brust fallen ließen und sich verbeugten,
klatschten nur noch Karl und ich. Évi war schon gegangen.
    Auf dem Weg nach Hause suchte Évi
nach Antworten auf Fragen, die sie sich in den Jahren zuvor nie gestellt hatte.
Sie fragte sich, warum sie nicht weg von hier, warum sie nie in den Süden
gezogen war, wo Aja etwas anderes hätte lernen können als Eislaufen, so
jedenfalls erzählte sie es an den Abenden nach Zigis Abschied meiner Mutter und
Ellen, wenn sie am schiefen Küchentisch saßen und die Bestellungen für
Weihnachtsgebäck in kleinen Stapeln ordneten. Warum sie im Norden geblieben
war, wo sie damals doch jede Richtung hätte einschlagen können, wo sie nichts
hätte an diesen Ort binden müssen, und was es war, das sie ausgerechnet in
Kirchblüt hielt, wo jeder Winter sie quälte, weil sie noch immer nachts

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