Bank, Zsuzsa
wach
wurde und zu frieren glaubte, trotz ihrer Decken, ihrer Türen und Fenster. An
der Brücke über den Klatschmohn hatte sie Wagengeräusche gehört, als sie von
der Eisbahn durch den schneekalten Abend gelaufen war, und Ajas Unfall war in
schwarzweißen Bildern zu ihr zurückgekehrt, der Anblick der Mauer, der Straße,
des Wagens, aus dem sich das Fensterglas gelöst hatte, das alles war zu ihr
zurückgekehrt, der dicke weiße Verband an Ajas winziger rechter Hand, die sie
nicht anzuschauen gewagt hatte, jedes Mal, wenn der Arzt ihn gewechselt und Évi
zu beruhigen versucht hatte, indem er gesagt hatte, es heile, es heile gut.
Diese ferne Zeit sprang sie an, als sei es gestern erst gewesen, dass sie nach
etwas gesucht hatte, das ihr einen Halt geben konnte, und es gefunden hatte
in dem kleinen Altar, den sie in ihre Dachstube unters runde Fenster gestellt
und vor dem sie fortan jeden Morgen ihr Gebet gesprochen hatte. Jetzt zog es
sie in Gedanken zum ersten Mal weg von Kirchblüt, und sie schmiedete Pläne,
wie sie aufbrechen und wegkommen, wie sie an einem anderen Ort neu anfangen
würde, an nichts anderes dachte sie in der Nacht vor Zigis Abreise, in der sie
und Zigi nie geschlafen hatten, weil ihnen die letzten Stunden zu kostbar
gewesen waren und sie Uhren und Wecker hinausgestellt hatten, um nicht daran
erinnert zu werden, wie wenig Zeit ihnen blieb, bis sie losmussten, bis Zigi
seinen Koffer nehmen und zur Haltestelle tragen würde.
Aber diesmal hatte Évi vorgegeben,
zu müde zu sein, um wach bleiben zu können, und Zigi saß in der Nacht allein in
der Küche, spielte mit den Karten, die seine Freunde letzten Winter hier
vergessen hatten, an einem leeren Tisch, nachdem Aja ihren Kopf neben ihren
Teller gelegt hatte und eingeschlafen war, nachdem Zigi sie ins Bett getragen
und zugedeckt hatte. Später erzählte mir Aja, am Morgen habe Évi pünktlich am
schiefhängenden Tor gestanden, in ihrer Wollmütze und dem dicken langen Mantel,
aber blass sei sie gewesen, als sie Zigi an der leeren Straße zum ersten Bus
gebracht hätten. Zigi sei zwischen ihnen unter den weißgelben Lichtern der
wenigen Laternen gelaufen, Aja habe seine Hand festgehalten und gedrückt, bis
der Fahrer geöffnet habe, Zigi aufgesprungen und in die Dunkelheit gefahren
sei, ohne sich wie sonst weit aus der Tür zu lehnen. Er sei schnell zu den
hintersten Plätzen gegangen und habe dort gestanden, ohne zu winken. Er habe
nur die Hände gehoben und sie flach aufs beschlagene Fenster gelegt. Es habe
ausgesehen, als wolle er Évi und Aja von sich fernhalten, als wolle er sie
wegschieben.
Als sie zurückkehrten, Aja mit
ihren hellblauen Fäustlingen mit den Lurexfäden, die vom Radschlagen nass geworden
waren, Évi mit schmutzigen Händen, da sie keine Handschuhe getragen hatte, bog
der Postbote auf seinem gelben Fahrrad in den Feldweg ein und winkte mit einem
Umschlag. Évi wartete unter Karls Linde, setzte ihren Namen auf ein Papier,
riss im Gehen schon das graue Kuvert auf, zog dann einen der schiefen Stühle an
den Küchentisch heran, schob Zigis Kaffeetasse und die Karten beiseite, die er
bis zum Morgen gemischt und gelegt hatte, und strich den Brief mit beiden
Händen glatt, als reiche ihr eine Hand dafür nicht aus. Sie fuhr mit ihrem
Blick über drei Wörter: kann abgeholt werden, die sie laut vor sich hersagte,
als wolle sie hören, wie sie klangen, wenn man sie laut sagte, kann abgeholt
werden, als falle es ihr schwer zu glauben, dass für sie etwas bereitliege,
ausgerechnet für sie, dass auf sie etwas warte, dass man ihr etwas zu geben
hatte, das ihr wirklich gehören sollte und das man ihr nie mehr würde nehmen
können. Selbst wenn sie es verlieren würde, bekäme sie es wieder.
Als sie den Briefträger schon an
der Brücke über den Klatschmohn verschwinden sah, steckte Évi ihr Haar an den
Seiten mit den dunklen Spangen fest, damit sie dem Bild ähnelte, das sie im
Fotoladen für ihren Ausweis hatte machen lassen. Neben Aja ging sie in ihrem
guten Mantel und den Gartenstiefeln durch den Schlamm, bis zum festen Weg, wo
sie die Stiefel unter der Brücke stehen ließ und die Schuhe mit den Absätzen
anzog, dann weiter übers Kopfsteinpflaster zum großen Platz, wo sie hinter dem
Cafe einbogen, den Kellner grüßten, der wie jeden Morgen durchs Fenster winkte
und einen Schritt auf sie zukam. Sie warteten vor der schweren Tür, bis sie um
halb acht geöffnet wurde, und nahmen die Treppen hinauf zur Meldestelle, wo Évi
oft auf
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