Bank, Zsuzsa
einem der harten Stühle gesessen hatte, weil ihr Haus keine Straße und
keine Nummer hatte. Diesmal ging Évi mit einem anderen Gefühl, wie sie später
sagte, zum ersten Mal mit einem anderen Gefühl über die Holzdielen, die unter
ihren leichten Schritten knarrten, stellte sich ans Fenster und sah auf die
Ecke des großen Platzes, wo Zigi an den Abenden Maronen gekauft hatte, bis man
sie aufrief, bis man ihren Namen, den sie von Zigi hatte, in den Warteraum
sagte und ihn wie immer komisch aussprach, Frau Éva Kalocs, laut genug, um
jeden aufblicken zu lassen. Évi nahm die Hände vom Fensterbrett, drehte sich
um, strich den Rock glatt und ging die wenigen Schritte, um ihren Ausweis
entgegenzunehmen und mit einem Kugelschreiber, der an eine Schnur gebunden
war, auf zwei Papieren zu unterschreiben, dass sie ihn bekommen hatte. Bevor
sie sich umwandte, hielt sie einen Augenblick inne, als dürfe sie nichts
übereilen, blieb vor dem Schreibtisch stehen, strich über den grauen Einband,
über die kleinen schwarzen Buchstaben, wie um sie nachzuzeichnen, Bundesrepublik
Deutschland Personalausweis, und als man fragte, ob etwas damit nicht in
Ordnung sei, sagte Évi, nein, alles sei in Ordnung damit, und als könne man sie
überhört, als könne man sie nicht verstanden haben, sagte sie noch einmal,
alles ist in Ordnung.
Sie ließ die guten Schuhe an, und
als Aja sich zum Schultor aufmachte, lief Évi den Weg hinaus zur Spedition,
vorbei an den Lastern, dem Namenszug auf dem Schiebetor, das man für sie zur
Seite rollte, bis zum Eingang, wo man Évi kannte und sich nicht mehr wunderte
darüber, wie sie aussah und redete, sondern sie sofort zu meiner Mutter ließ,
die einmal erklärt hatte, für Éva Kalocs und Ellen Kisch sei sie jederzeit zu
sprechen. Später sagte mir meine Mutter, sie habe ihre Bücher und Karten sofort
fallen lassen, und sich Évis neuen Ausweis angeschaut, habe durch jede leere
Seite geblättert und Évis Geburtsort laut und deutlich gelesen,
Sätoraljaüjhely, so dass Évi habe lachen müssen, weil es fremd und komisch
geklungen habe, wie meine Mutter es ausgesprochen habe, weil sie den
Unterschied zwischen den As und Es nicht gekannt hatte, weil sie nicht gewusst
habe, wie man ein S zu sprechen hatte, und Évi habe den Namen noch einmal
ausgesprochen, so wie es richtig sei, Sätoraljaüjhely, und meine Mutter habe
gesagt, noch nie, wirklich noch nie habe sie einen so hübschen Ausweis mit
einem so hübschen Namen darin gesehen.
Évi besaß von da an einen
deutschen Ausweis, in dem stand, Kalocs, geborene Almäry, Éva Erzsebet, und sie
wollte diesen Tag feiern, nicht nur mit uns und ihren Freunden, die sie ja
weder Éva noch Évi, sondern Évike nannten, und sich für die kalten Tage über
Weihnachten und Neujahr angekündigt hatten, sondern mit allen, die sie kannte,
von den Kuchenbestellungen, aus dem Fotoladen, dem Cafe, in dem sie mit Aja
saß, wenn ihr mittags zu wenig Zeit blieb, um nach Hause zu gehen, selbst mit
unseren Fahrern, die jedes Mal das Wagenfenster herabließen und ein paar Sätze
mit Évi wechselten, wenn sie an den Lagerhallen vorbeiging. Weil sie nicht bis
zum Frühling warten konnte und in ihrem Haus kein Platz war, lud sie ein in
ihren Garten, ohne auf die Jahreszeit, das Wetter zu achten, und wenn man sie
nach dem Anlass fragte, zog sie ihren Ausweis aus der Tasche, schlug ihn auf und
zeigte wie zum Beweis, dass er wirklich ihr gehörte, das mit zwei Nieten
festgestanzte schwarzweiße Foto darin, Évi mit dunklen Spangen im Haar, die
ihre wirren Strähnen aus dem Gesicht hielten, ihr Blick so, als habe das
Blitzlicht sie erschreckt.
Évi erlaubte Karls Vater, für
diesen Samstag ein Zeltdach aufzubauen, falls es schneien würde, wie Aja
vorhergesagt hatte, und sie ließ ihn zwei große Stahlkörbe für das Feuer
aufstellen, das bis spät in die Nacht brennen sollte. Évi hatte ihre Küche erst
verlassen, als sie geglaubt hatte, genug Gläser mit Konfekt und Blechdosen mit
Gebäck stünden im schmalen Gang vor den Mänteln, und am Morgen hatte sie Punsch
angesetzt, für den Aja Nelkenstifte in Orangenschalen gesteckt hatte, hatte
dunkelrote Bänder in die kahlen Äste der Birnbäume gezogen und Fackeln und
Kerzen aufgestellt, die Aja und ich mit langen dicken Streichhölzern anzünden
durften, als es dämmerte. Évi und Aja legten kurz ihre Mäntel ab, und ohne die
Kälte zu spüren, standen sie am schiefhängenden Tor, das Karls Vater für
diesen Tag hatte festbinden
Weitere Kostenlose Bücher