Bank, Zsuzsa
dürfen, damit es keiner über den Boden schleifen
musste. Beide trugen weiße Blusen und dunkelrote Schürzenkleider, die Évi so genäht
hatte, dass sie die grünen Adern in ihren Kniekehlen verdeckten. Aja ging mit
jedem zum Feuer, goss Punsch in Gläser, die meine Mutter in einem Lieferwagen
hatte bringen lassen, und schnitt von den Mohnrollen und Nusskuchen, die Évi
Tag und Nacht gebacken hatte. Obwohl Zigi weggefahren war, war Aja nicht in
ihren giftigen Ton zurückgefallen. Sie gönnte Évi eine Schonzeit, an diesem
Abend sollte sich unter den kahlen Bäumen alles fügen, wie Évi es sich
gewünscht hatte, und obwohl man hätte glauben können, Évi habe in Kirchblüt
wahllos Menschen aufgesammelt und in ihren Garten gebracht, fügte es sich und
passte. Selbst als Aja recht behielt und es anfing zu schneien, störte der
fallende Schnee niemanden, keiner schien ihn zu bemerken, als er sich auf die
Mützen und Mäntel, auf die gestutzten Sträucher, aufs Zeltdach und die nackten
Zweige unserer Linden setzte. Évis Freunde holten die Trommeln und das
Akkordeon und spielten mit klammen, steifen Fingern, auch wenn sie nicht recht
verstehen wollten, was ihre Freundin heute feierte. Karls Vater legte Holz
nach, das er am Tag zuvor in einem Anhänger gebracht und hinter den
Hasenställen gestapelt hatte, wir standen am Feuer und schauten auf die Funken,
die der Januarwind in den Himmel jagte, meine Mutter neben Karls Vater, mit
Punschgläsern in den Händen, Ellen in ihrem eisblauen Mantel mit dem
Fellkragen, auf dem ihr glattes blondes Haar lag, ihre blasse Haut rot im Licht
des Feuers, neben ihr Karl, die Flammen in den Gläsern seiner Brille. Obwohl
Karl und ich kaum begreifen konnten, warum Évi zu diesem Fest geladen hatte, warum
ein Dokument, auf das wir nichts gaben, ausgerechnet ihr so viel bedeuten
konnte, sprang etwas von Évis Freude auch auf uns, wie die Funken, die über den
Zaun flogen, weil wir ahnten, Aja und Évi würden bleiben, wir brauchten keine
Angst zu haben, sie würden eines Tages aufbrechen und ohne uns weiterziehen.
Um Mitternacht stellten wir die
Stühle zusammen und reichten die schmutzigen Gläser und Teller durchs Küchenfenster,
wo Évi sie in eine große Wanne legte, weil sie keinen Platz mehr in der Spüle
hatte. Als Ellen ihren eisblauen Mantel auszog, die Ärmel ihres Pullovers
hochschob und anfing, mit einer Bürste die Reste von den Tellern zu kratzen,
setzte sich Évi auf einen ihrer schiefen Stühle, faltete ihr Stofftaschentuch
mit den Blumenranken auseinander und fing an zu weinen. Vielleicht weinte sie,
weil ihr das Leben dazwischengekommen war, sein verrückter Lauf, der sich nicht
um sie kümmerte, der über sie hinwegglitt wie die Stürme, die im Herbst an
ihrem Haus zerrten, die gelben Blätter aus ihrem Garten holten und über die Felder
trugen, und das ihr ausgerechnet einen Tag nachdem sie sich ausgemalt hatte,
mit Aja wegzugehen, einen grauen Ausweis beschert, ihn auf der Meldestelle in
Kirchblüt, in einem kleinen Fach, neben einem Kugelschreiber, der an einer
Schnur hing, für sie bereitgelegt hatte. Ellen warf die Bürste ins Wasser,
stellte sich hinter Évi, fasste sie an den Schultern und weinte ein bisschen
mit ihr, meine Mutter sagte: Hört auf zu weinen, es gibt doch jetzt keinen
Grund mehr, und dann lachten und weinten sie zu dritt, als könnten sie sich
nicht entscheiden, als wüssten sie selbst nicht, warum sie ausgerechnet jetzt
weinen mussten, da Évi ihren Ausweis doch endlich hatte.
Jakobsbeichten
Wir ließen unsere Kindheit hinter
uns, ihre Strömungen wurden schwächer, die uns fortgetragen und hinabgezogen
hatten in Tiefen, in denen wir leicht hätten verlorengehen können. Selbst die
jüngsten Jahre, die Aja wie eine Krankheit überfallen hatten, gaben uns frei
und nahmen die vergifteten Worte mit, die Aja aus einem schief gezogenen Mund
auf Évi abgefeuert hatte. Auch wenn der Abschied von Zigi sie noch quälte, war
ihre Sehnsucht ins Blau der Nächte gebannt, in die Zigi an seinem Trapez
schwang, um Ajas Schlaf auf einem Seil zu durchschreiten, jetzt, da sie oft
von der Stadt träumte, in der Zigi lebte, von der Küste, an die er auch an
freien Tagen den Bus nahm und in deren Brandung er gestanden hatte, als er über
ein Telegramm von Ajas Schneeunfall erfahren hatte. Das Lachen kehrte zurück in
Ajas Leben, ihr helles, lautes Lachenbreitete sich aus in den kleinen Zimmern,
in Évis winziger Küche, in den Kronen der Birnbäume, über den
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