Bankgeheimnisse
seinem Wagen stehen, einem schwarzen Porsche. Er klopfte auf das Dach. »Deswegen.« Er zog am Kragen seines teuren Trenchcoats, hielt sein Handgelenk mit der Rolex hoch. »Deswegen.« Er deutete mit dem Zeigefinger auf sie selbst. »Und deswegen. Saphire. Bilder. Kleider. Penthouse. Es gibt hundert gute Gründe, reich zu sein.«
»Und Klingenberg? Waren die Gründe so gut, daß er sterben mußte?«
»Das mußt du den Wikinger fragen. Ich kam erst hinterher dazu, als es sowieso nicht mehr zu ändern war. Er war tot, aber wir lebten. Es war einfach zuviel Geld, um es sausenzulassen. Und dann... Irgendwie hat sich die Sache plötzlich verselbständigt. Wenn man sich mit Leuten wie Ernst einläßt, ist das, als würde man einen Deal mit dem Teufel machen. Man geht einen Schritt und dann noch einen, die Grenze ist fließend, aber es gibt sie. Irgendwann hat man sie überschritten, und dann übernimmt der Teufel selbst die Initiative. Man kann nur noch dastehen und zusehen, was er tut.« Er schloß ihr die Beifahrertür auf und half ihr auf den Sitz. Sie preßte die Faust gegen den Unterleib. Die Schmerzen wurden stärker, sie merkte, wie sie blutete.
Er ging um den Wagen herum und stieg ein. Der Motor erwachte mit schwachem Brummen zum Leben, und Leo setzte den Wagen zurück.
Johanna schnallte sich mit mechanischen Bewegungen an und starrte aus dem Seitenfenster. »Klingenberg hat niemandem etwas getan. Er war absolut integer. Es stimmt nicht, was ich dir über... diese Sache sagte.« Drei, vier Fahrzeugreihen entfernt stieß eine dunkle Limousine rückwärts aus einer Parklücke.
»Welche Sache meinst du?« Leo steuerte den Wagen vom Parkplatz, sie verließen das Krankenhausgelände und reihten sich in den fließenden Verkehr ein. Der erste Schub der Rush-hour hatte begonnen.
»Daß Banker keine Skrupel haben. Es trifft auf alle zu, die ich kenne. Bis auf ihn. Er hatte welche.«
»Ja, die hatte er. Er wäre besser drangewesen, wenn er keine gehabt hätte. Wen interessiert denn schon, ob das Geld sauber oder schwarz ist. Hauptsache, die Kasse stimmt. Er hätte nur das tun müssen, was alle tun, wenn mit dem ganz großen Geld gearbeitet wird. Mitmachen und den Mund halten. Wenn er mitgemacht hätte, würde er noch leben.«
Johanna empfand in diesem Augenblick nichts mehr außer lähmender Kälte, eine Kälte, die sie von innen her aushöhlte. »Und mein Bruder? Er war fast noch ein Kind!«
»Ja. Ich sagte schon, daß es mir leid tut. Die Sache ist uns aus der Hand geglitten.«
In diesem Augenblick erst begriff sie die volle Wahrheit. »Du warst es.« Ihre Stimme war kaum hörbar. »Du wußtest von mir, daß er nach Holland wollte. Du hast ihnen davon erzählt. Sie haben das Zeug in seinem Auto versteckt und der Polizei einen Wink gegeben. Er könnte jetzt irgendwo im Ausland sein. Lebendig!«
Leo biß sich auf die Lippen. Er blickte schweigend in den Rückspiegel. Die dunkle Limousine folgte ihnen, schloß auf. Die Scheinwerfer schnitten milchige Lichtkegel in den Nebel hinter ihnen.
»Sie sind schon da.« Leo beschleunigte den Wagen, zog links an einigen haltenden Fahrzeugen vorbei und überfuhr eine rote Ampel. Die dunkle Limousine blieb mit unverändertem Abstand hinter ihnen.
»Bist du sicher, daß sie es sind?«
»Ja.« Er gab Gas, der Motor jaulte auf, und der Porsche wurde schneller. Leo schaute erneut in den Rückspiegel. »Dieser Schlitten da hinten muß frisiert sein.« Er bog links ab, auf den Alleenring in Richtung Wiesbaden. »Wir hängen sie ab. Wir fahren auf die Autobahn, da schaffe ich es mit links.« Es klang unbekümmert, und für eine Sekunde erkannte Johanna in seinem rechten Mundwinkel das Grübchen. »Was hältst du davon, Johanna? Wir hängen sie ab, fahren in die Karibik und gründen da unsere Familie.« Die nächste Schmerzattacke war schlimmer als die vorangegangene. Johanna stöhnte und krampfte die Finger in den Unterleib.
»Johanna?«
»Leo, ich blute wieder. Es tut so weh!«
Zum erstenmal in den Jahren, seit sie ihn kannte, sah sie ihn verzweifelt. In seinem Blick zeigte sich unverhüllte Angst, gepaart mit Sehnsucht, so intensiv, daß etwas in ihr aufbrach und schmolz. »Was habe ich gemacht?« flüsterte er. Sein Gesicht war im Schatten, aber sie sah, daß er weinte.
»Leo, mein Gott, paß auf!«
Der andere Wagen hatte aufgeholt, er war schräg hinter ihnen und klebte als dunkler Umriß an ihrer Stoßstange. Johanna erkannte den Mann am Steuer. Chen, der Chinese. Auf dem
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