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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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viel Blut. Es durchtränkte ihre graue Jogginghose bis zu den Knien.
    »Ich bin in Ordnung.«
    »Aber...«
    »Ich bin in Ordnung.« Sie wich stolpernd zurück. Aus den Augenwinkeln sah sie, daß weitere Fahrzeuge am Straßenrand gehalten hatten. Sie hob den Kopf. Die dunkle Limousine war nirgends zu sehen. Aber einer der Männer, die oben an der Leitplanke standen und auf den zertrümmerten Porsche herabstarrten, war Jorge.

12. Kapitel

    Um sieben Uhr hatte sich der Nebel gelichtet, doch die Luft war immer noch diesig und feucht, obwohl die Nachrichten besseres Wetter angekündigt hatten. Die Stadt war wie üblich um diese Zeit von pulsierender Betriebsamkeit erfüllt. Banker und Versicherungsleute strömten zu Zehntausenden in die Innenstadt, zu Fuß, per Bahn oder mit dem Wagen. Der Abgasgestank sammelte sich in den Straßenschluchten und vermischte sich mit dem beißenden Geruch nach Ozon.
    Fabio hatte in der letzten Nacht wieder keinen Schlaf gefunden. Er hatte minutenlang dem Krankenwagen nachgestarrt, der Johanna am späten Abend abtransportiert hatte, dicht gefolgt von Leos Porsche. Die Polizei, die fast gleichzeitig mit der Ambulanz erschienen war, hatte das Gebäude gesperrt und die Bewohner, soweit sie nicht schon erwacht waren, aus den Betten geklingelt. Die Spurensicherung blockierte für Stunden das Treppenhaus und die beiden Aufzüge. Kriminalbeamte durchkämmten die Gegend, befragten Anwohner, hielten die späten Besucher des Forchetta beim Verlassen des Lokals auf. Es hatte lange gedauert, bis wieder Ruhe eingekehrt war. Erst kurz vor dem Morgengrauen kam der Leichenwagen, um den Zinksarg zu holen, in dem Michael Sonntag lag. Mit ihm verschwanden endlich die letzten Schaulustigen vom Tatort.
    Als alles vorbei war, hatte Fabio gar nicht erst versucht, zu schlafen, sondern war bei Tagesanbruch zu seinen Besorgungen für das nächste Abendessen aufgebrochen. Um den guten Ruf des Lokals machte er sich keine Gedanken. Es war eher damit zu rechnen, daß der Mord weitere Gäste anlockte. Dergleichen paßte zum Stil der dekadenten Meute, die Abend für Abend das Forchetta bevölkerte. Gewalt fügte sich zwanglos ein in die Erlebniswelt jenes sprungbereiten Raubtieres, des genußsüchtigen und immer jungen Fin-de-siècle-Stadtmenschen.
    Fabio kämpfte sich mit dem Lieferwagen durch den dichten Stop-and-go-Verkehr. Er lenkte den Renault auf den Parkplatz hinter dem Haus, parkte ein und sprang aus dem Wagen. Sofort hielt er inne, sog zischend die Luft ein und hielt sich den Nacken. Die unbedachte Bewegung hatte ihm die Prellung seiner Halswirbel schmerzhaft zu Bewußtsein gebracht. Er öffnete die Ladeklappe und nahm die beiden oberen Kisten heraus, in denen sich frisches Weißbrot befand. Als er sie durch den Lieferanteneingang trug, hörte er das Piepen des Telefons aus der Küche. Er stellte die Kisten im Vorratsraum ab und nahm im Vorbeigehen ein Stück von dem Weißbrot mit. Hungrig biß er davon ab und kaute, während er das Telefon von der Ladestation nahm und zwischen Kopf und Schulter klemmte, nur um es im nächsten Augenblick beinahe fallenzulassen. Er stöhnte vor Schmerz und ließ den Kopf hin und her rollen, um die Verkrampfung zu lockern. »Ja, Scarlatti.«
    Im ersten Augenblick glaubte er an eine Rückkopplung oder eine Funkstörung. Das, was aus dem Hörer tönte, klang wie eine Nachahmung seines eigenen Stöhnens. Dann eine schwache Frauenstimme. »Fabio!«
    »Johanna?« sagte er überrascht, die Backen voll unzerkauten Brots. »Wie geht es dir? Lassen sie dich schon aufstehen?«
    »Du mußt herkommen, Fabio.«
    »Ich weiß ja nicht mal, in welchem Krankenhaus du liegst.«
    »Ich bin nicht mehr im Krankenhaus.«
    »Sie hätten dich besser noch ein, zwei Tage dabehalten, du hast schlimm ausgesehen. Und du klingst nicht besonders fit. Wieso zum Teufel haben sie dich schon entlassen?«
    Ein unterdrückter Laut drang aus der Hörmuschel. »Fabio, um Himmels willen! Du mußt mich holen! Bring ein Handtuch mit. Ich bin hinter dem Fernmeldeturm, beim Eingang zu den Schrebergärten. Komm schnell!«
    »Ein Handtuch? Wieso muß ich dich holen? Verdammt, was ist los mit dir?«
    »Ich hatte eine Fehlgeburt. Und Leo ist tot. Frag nicht so viel, komm lieber her. Und paß auf, daß dir niemand folgt!«
    »Ich komme sofort.« Er legte den Hörer zurück auf das Ladegerät, warf das angebissene Stück Brot daneben, riß ein frisches Küchentuch aus einem der Schränke und eilte im Laufschritt zurück auf den

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