Bankgeheimnisse
der Wandschränke, öffnete ihn und holte die Joggingkleidung heraus, die sie zuletzt getragen hatte. Ohne Umschweife begann er, ihr das leinene Krankenhaushemd abzustreifen. Darunter war sie nackt bis auf einen Slip.
»Wir müssen’s drauf ankommen lassen. Wenn du wieder blutest, dürfte das weniger schlimm sein als eine Kugel im Kopf. Und außerdem willst du das Kind ja sowieso nicht haben.«
Sie setzte sich langsam auf und spürte dabei eine voluminöse Binde zwischen den Beinen. Zitternd hielt sie still, als er ihr das Sweatshirt anzog. »Was hast du vor?« Sie legte beide Handflächen gegen die Wangen, von plötzlichem Schwindel erfaßt. »Ich bringe dich in Sicherheit. Du bist sonst so gut wie tot. Sie warten nur darauf, dir den Rest zu geben.«
Schweigend starrte sie auf seine Hände, als er ihr die Socken überstreifte und die Hose über ihre Beine schob. Hände, die sie gestreichelt hatten, die ihren ganzen Körper liebkost hatten. Hände, die in einem anderen Leben zärtlich gewesen waren.
»Warum läßt du sie’s nicht tun?«
»Warum? Ganz egal, was da alles gelaufen ist — du bist meine Frau und bekommst mein Kind.« Er drückte ihre Füße in die Turnschuhe. »Ich weiß, was du denkst. Aber mit dem, was heute im Penthouse passiert ist, hatte ich nichts zu tun.«
»Wiking...«
»Ja, Wiking. Er hat die verdammten Bücher auf deinem Schreibtisch gefunden, mit seinem Namen da drin. Der Trottel hat völlig die Beherrschung verloren. Er hatte nichts Eiligeres zu tun, als es Ernst zu erzählen. Das war dein Todesurteil. Es sollte wie ein Raubüberfall aussehen.«
»Wie hast du davon erfahren?« Wie ein Kind ließ sie sich von ihm aus dem Bett helfen. Schwankend stand sie da und wartete, bis er ihr die Jacke angezogen hatte.
Er schloß die Knöpfe. »Zufall. Ich traf Wiking im Aufzug. Da hatte er schon mit Ernst gesprochen. Ich hab ihm sofort angesehen, was los war. Er ist praktisch vor meinen Augen zusammengebrochen. Ich habe ihn ausgequetscht, und er hat mir alles erzählt. Wir sind dann zusammen los und kamen gerade noch rechtzeitig.«
»Fabio war vor euch da.«
»Ja, dieser dämliche Typ mußte sich natürlich als Held aufspielen.« Er nahm seinen Trenchcoat vom Stuhl, zog ihn an und holte Johannas Handtasche aus dem Wandschrank.
»Wie geistesgegenwärtig von dir, meine Tasche mitzunehmen«, sagte sie mit flacher Stimme.
»Ja. Komm jetzt.«
Sie machte keine Anstalten, mitzugehen. »Wer ist Ernst?«
»Ein alter Geheimdienstler aus dem Osten. Nach dem, was ich gehört habe, war er früher Spezialist darin, Regimegegner mundtot zu machen und schwierige Logistikprobleme zu lösen. Nach der Wende hat er das Fach gewechselt. Er koordiniert jetzt die Rückführung und die Verteilung des Geldes, das eine Handvoll Stasi- und Militärbonzen in jahrzehntelanger konspirativer Aktion aus der DDR herausgeschafft haben. Die zwei Milliarden sind nur ein Teil davon.«
»Was für Geld ist das?«
»Schmutziges Geld. Von Westdevisen abgezweigt. Einnahmen aus Waffenhandel, Häftlingsfreikäufen, Transitverkehr, Zwangsprovisionen aus dem Ost-West-Handel. Sie haben es für ihre alten Tage rausgeschafft, die sie in Ruhe und Frieden und Reichtum in der Heimat beschließen wollen. Strass war für die sichere Unterbringung und Vermehrung des Geldes zuständig. Mit dem geplanten Rückfluß war es dann nach dem Fall der Mauer erst mal aus. Also holten sie Ernst, der das Problem lösen sollte. Zuerst hat er selbst versucht, als reicher Macker aufzutreten, vor drei Monaten etwa.«
»Als Klingenberg in London war?«
»Ja. Ernst kam da auf ihn zu und wollte ihm seine Milliarden unterjubeln. Mit Wikings Hilfe versteht sich. In der Studentenzeit des Wikingers gab es irgendwelche Stasi-Kontakte, die es Ernst ermöglicht haben, über ihn an Klingenberg heranzukommen. Aber anscheinend hatte er nicht das richtige Benehmen. Klingenberg hat Verdacht geschöpft und wollte die Behörden verständigen. Also haben Wiking und Ernst gemeinsam Klingenbergs Ermordung geplant und durchgeführt. Danach kam Wiking dann zu mir, und wir haben diese Stiftungsidee ausgetüftelt. Den Rest kennst du.«
Das letzte Stück. Klingenbergs letzter Hinweis. In Wahrheit hatte es zwei letzte Stücke und zwei Hinweise gegeben. Ein Drama über den Tod eines Weltverbesserers und eine Sage über den Fall einer Stadt. Troja, bezwungen durch eine tödliche List. Das Trojanische Pferd.
»Aber warum habt ihr Amery vorgeschoben? Warum diese
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