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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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erhellt, doch als die Türen hinter ihr zusammenglitten, herrschte vollständige Finsternis. Johanna nahm die bereits im Aufzug angeschaltete Taschenlampe aus der Handtasche und ging zielstrebig zu ihrem Büro. Es war wie alle Räume in der Bank nicht verschlossen. Die Reinigungskolonne kam abends meist zwischen acht und zehn. Geheime und brisante Vorgänge wurden im Safe aufbewahrt, ansonsten gab es nichts, das für einen Dieb interessant gewesen wäre. In diesem Bankhaus gab es weder Geld noch Wertpapiere. Das Wertvollste in dem Gebäude waren hochkarätige Mitarbeiter.
    Johannas Notebook lag scheinbar unberührt auf ihrem Schreibtisch. Sie klappte es auf und schaltete es ein. Die Batterie war leer. Johanna überlegte, ob sie versäumt hatte, das Gerät abzuschalten, als sie damals so überstürzt ihr Büro verlassen hatte. Sie konnte sich nicht erinnern. Dann sah sie, daß die Bücher verschwunden waren. Alle, nicht nur die Dramensammlung. Wiking hatte offenbar vorgesorgt. Johanna ging mit dem Notebook in das Büro ihrer Sekretärin. Sie legte die Lampe auf den Schreibtisch, koppelte das Notebook am PC an und schaltete den Bildschirm ein. Sie tippte das siebenstellige Paßwort, ohne das sie keines der Programme starten konnte. Es war eine eigenwillige Buchstaben-Zahlen-Kombination, die Leo für die Vermögensverwaltung aus der Taufe gehoben hatte. Das Paßwort lautete 0PR0F1T. Ein Code, der zu ihm und seiner sorglosen, verrückten Art gepaßt hatte.
    Die Programme waren jetzt abrufbereit. Im trüben Licht des Displays gab Johanna die erforderlichen Befehle ein, aber es gab keine Dateien auf dem Notebook. Hilda. Sie mußte es dem Wikinger gesagt haben. Oder Leo hatte es getan. Es spielte keine Rolle. Die Festplatte war leer. Er hatte nichts dem Zufall überlassen und sämtliche Daten gelöscht. Johanna ließ sich auf Hildas Stuhl fallen. Sie fühlte, wie ihre Konzentration nachließ, wie jegliche Energie von ihr wich. Ihr Hals brannte jetzt stärker. Es tat unerträglich weh, wenn sie schluckte. Trotz des warmen Mantels war ihr kalt. Ein surrendes Geräusch ließ sie herumfahren. Mit dem Ärmel wischte sie die Taschenlampe vom Schreibtisch, die gegen die Wand prallte und zu Boden fiel, wo sie ein-, zweimal flackerte und dann erlosch. Johanna grub ihre Hände in den weichen Wollstoff ihres Mantels. Ihr Herz raste, und sie stöhnte rauh, bis sie erkannte, woher das Geräusch kam. Das Faxgerät war in Betrieb. Jede Nacht kamen stapelweise Faxe aus Übersee. Sie hatte es vergessen. Im flimmernden Licht des Computerbildschirms kroch sie über den Boden und suchte die Taschenlampe. Das Gehäuse hatte sich geöffnet, die Batterien waren herausgerollt. Mit steifen Fingern tastete sie den Teppich ab, bis sie die beiden Babyzellen gefunden hatte. Sie setzte sie ein und verschraubte den Deckel mit dem Gehäuse. Ein durchdringendes Piepen zeigte an, daß die Faxsendung beendet war. Johanna knipste die Lampe mehrmals an und aus, doch sie brannte nicht mehr. Die Birne war beim Herunterfallen kaputtgegangen. Johanna schob die nutzlose Lampe in ihre Handtasche, schaltete den PC ab und klemmte ihr Notebook unter den Arm. Sekundenlang stellte sie ihre Augen auf die Dunkelheit ein, bis sie die schwachen Linien und Formen erkannte, die durch die nächtlichen Lichter der Stadt sichtbar wurden.
    Die Schwärze im Gang war jedoch undurchdringlich. Der schwere Teppichboden schluckte jeden ihrer Schritte. Mit der freien Hand tastete Johanna sich an der Wand entlang. Ihr Ziel war nicht der Aufzug, sondern ein anderes Büro, und sie zählte lautlos die Türen, bis sie es erreicht hatte. Sie stieß die Tür zum Büro des Abteilungsleiters auf. Es war ein Eckzimmer, in dem es heller war als in Hildas und ihrem eigenen Büro, weil von zwei Seiten das kalte Nachtlicht von draußen hereinfiel. Der Raum war um einiges größer als ihrer, und auch die Ausstattung war eine Kategorie besser. Das Büro wirkte unbenutzt. Es gab keine persönlichen Gegenstände auf dem Schreibtisch oder auf der Fensterbank. Vermutlich ließen sie eine längere Anstandsfrist verstreichen, bevor sie den Raum wieder benutzten. Vielleicht wollte auch niemand dieses Zimmer haben. Die meisten Banker, die sie kannte, waren abergläubisch. Johanna blieb vor dem Schreibtisch stehen und starrte auf die blankpolierte Platte, wo die Leuchtreklame eines nahen Versicherungsturms einen wäßrigen blauen Schimmer erzeugte. Leo hatte nur einen Tag hier gesessen. Er hatte seinen Erfolg

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