Bankgeheimnisse
Kostüm aus perlgrauem Mohair an. Fabio verfolgte jeden ihrer Handgriffe mit hungrigen Augen, während er sich selbst anzog.
Sie schlüpfte in schwarze Wildlederpumps mit halbhohen Absätzen. »Wie hast du’s gekriegt?«
»Du läßt nicht locker, was?« Fabio fuhr in die Ärmel seines Hemdes und knöpfte es zu. Er beobachtete sie mit mühsam unterdrückter Belustigung. »Du wirst es sowieso nicht glauben.«
»Das kommt darauf an, was du mir erzählst.« Sie nahm eine rotblonde Perücke aus einer Schachtel und schüttelte sie aus. »Du fängst besser sofort damit an.«
Er tat es. Ihr Gesicht wirkte unbewegt, als er ihr den Verlauf des Abends im >Topas< schilderte und sich unterdessen fertig anzog. »Carlo hat Hilda aufs Parkett geschleppt, als ihre Freundin mal für kleine Mädchen war«, schloß er, während er einen grobgestrickten Pullover über den Kopf streifte. »Es lief alles nach Plan. Ich hatte drei Minuten. Ich habe die Karte aus ihrer Handtasche geklaut.«
»Einfach so?«
»Einfach so. Der Rest lief ebenfalls nach Plan. Carlo wurde wahnsinnig übel, ich mußte ihn nach Hause fahren und unsere reizenden neuen Bekannten auf morgen abend vertrösten.« Er setzte sich aufs Bett und zog die Stiefel an. »Wir können nur hoffen, daß alles andere auch planmäßig verläuft und ich ihr morgen abend die Karte wieder unbemerkt zustecken kann.« Außerdem hoffte er im stillen, daß Hilda nicht doch noch der Grund einfiel, warum sie das Gefühl gehabt hatte, ihn schon immer zu kennen. Er hatte darauf gesetzt, daß sie sich nicht erinnerte, mit ihm bereits telefoniert zu haben, damals, als Johanna nach Paris geflogen war. Er hatte gewonnen.
»Du siehst übrigens gut aus mit diesen langen roten Locken.«
»Hm.« Sie schminkte sich vor dem Spiegel der Frisierkommode die Lippen dunkelrot und tuschte die Wimpern. Als sie sich anschließend prüfend betrachtete, fand sie an ihrem Äußeren nichts auszusetzen. Sie war die perfekte Vorstandssekretärin.
Sie verabschiedeten sich von Gina, die bleich vor Aufregung in der Tür stand und ihnen nachblickte, bis die Aufzugtüren hinter ihnen zuglitten. In der zum Haus gehörenden Tiefgarage stiegen sie in den Mietwagen und fuhren in Richtung Holzhausenpark. Dort trafen sie in einer der versteckten Seitenstraßen Carlo an der vereinbarten Stelle, ließen ihn einsteigen und fuhren weiter in die Innenstadt, wo sie den Wagen in der Nähe der Hauptwache parkten. Die extreme Kälte hielt die Nachtschwärmer fern; sie begegneten kaum einem Menschen, als sie sich auf den Weg machten. Sie passierten die Börse. Der große Platz war verlassen bis auf die beiden Bronzestatuen, die einander in ewigem Schweigen belauerten. Johanna legte im Vorbeigehen ihre Hand auf die eisige Flanke des Bullen. Sie dachte an Leo.
In der Nähe der Bank blieben sie bei einer Litfaßsäule stehen und verglichen ihre Uhren. Fabio gab Johanna den Wagenschlüssel und die Parkkarte für einen anderen Mietwagen, der einen Block entfernt im Parkhaus stand, keine hundert Meter von der Einfahrt zur Tiefgarage der Bank entfernt.
Fabios Atem schwebte weiß vor seinem Mund. »Du hast eine Stunde.«
»Ich weiß nicht, ob ich das schaffe.«
»Du wirst. Wir haben einkalkuliert, daß du dich vielleicht für ein paar Minuten verstecken mußt, wenn jemand auftaucht. Eine Stunde ist genug für dieses verrückte Unternehmen.«
Johanna öffnete ihre Handtasche und ließ Schlüssel und Karte hineinfallen. Die Tasche war neu, doppelt so groß wie ihre andere und um ein Mehrfaches schwerer. »Wünscht mir Glück, ihr beide.« Carlo strich mit den Fingerknöcheln über ihre Wange. »Alles Gute.« Fabio umarmte sie und preßte sie an sich. Als er sie küssen wollte, drehte sie den Kopf weg. »Mein Lippenstift.«
»Ich hab nicht dran gedacht. Versprich mir, daß du aufpaßt.«
»Ich passe auf.« Ihr wolkiger Atem mischte sich mit seinem, als sie sich auf die Zehenspitzen reckte und vorsichtig die gespitzten Lippen auf sein Kinn drückte.
Fabio blickte auf sie herunter. Schneekristalle schwebten durch die Luft und legten sich wie ein Schleier aus Juwelen über das künstliche rote Haar, das ihr schmales Gesicht umrahmte. Er fuhr mit der Daumenkuppe über ihre Braue und wischte eine Schneeflocke weg. »Geh jetzt lieber. Es fängt an zu schneien.«
Sie nickte und wandte sich zum Gehen.
»Johanna?«
Sie drehte sich um. »Ja?«
»Wenn du erwischt wirst, zögere nicht, das Ding in deiner Tasche zu benutzen.«
Sie nickte
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