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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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ihren Augen hatten sich dunkle Ringe gebildet. Der Selbstmord ihres Schutzpatrons hatte sie offenbar vollständig aus der Bahn geworfen. Ihre oft an Arroganz grenzende Kompetenz bröckelte, sie war fahrig und unkonzentriert. Der Diamant zeigte Risse. Hilda hatte sie in den beiden Wochen, die seit der Beerdigung vergangen waren, mindestens bei einem halben Dutzend Fehler ertappt. Ein Fall von falscher Bilanzierung, zweimal falsche Anweisungen beim Ordern von Industrieanleihen. Johanna hätte das nicht entgehen dürfen. Das waren nur die gravierenden Nachlässigkeiten. Es gab noch andere. Die Ungenauigkeiten auf den volldiktierten Bändern. Das Vergessen von wichtigen Terminen, ob es nun Kundengespräche oder Verhandlungen mit Beauftragten der Bank waren. Hilda registrierte alles mit der Emsigkeit einer fleißigen Biene. Sie sprach keinen der Vorfälle an. Das hob sie sich für spätere Gelegenheiten auf. Solche Gelegenheiten ergaben sich immer irgendwann.
    Sie warf einen erneuten Blick auf das blasse Gesicht vor ihr. Ihre Laune hatte sich entschieden gebessert. Sie hätte gern noch den Ausdruck in Johannas Augen gesehen, wenn diese das Fax las, den Abschiedsbrief, den sie vorhin nicht erwähnt hatte, doch auf diesen Anblick würde sie verzichten müssen. Sie wußte, daß Johanna alles mit in ihr Büro nehmen und es sich erst dort anschauen würde. Sie reichte Johanna die Papiere, ging zurück an ihren Schreibtisch und setzte sich wieder. Johanna murmelte flüchtig irgend etwas und zog die Tür hinter sich zu. Hilda empfand unbeschwerte Zufriedenheit, versüßt durch das Marshmallow, das sie zerbiß und auf der Zunge zergehen ließ. Die Anspannung in den Zügen ihrer Chefin war ihr nicht entgangen.
    Auf dem Weg in ihr eigenes Büro, das sich zwei Türen weiter befand, suchte Johanna die Faxbögen heraus. Es waren zwei Blätter. Sie konnte sie nicht ruhig halten, ihre Hand zitterte zu sehr. Sie stieß die Tür zu ihrem Büro auf, legte ihre Handtasche auf die Fensterbank und breitete das Fax auf ihrem Schreibtisch aus. Mit beiden Händen strich sie es glatt. Sie registrierte als erstes, daß es von einem Privatanschluß kam. Er hatte es offenbar mit nach Hause genommen und von dort aus gefaxt.
    Den Rest hatte sie in ein paar Sekunden gelesen. Zuerst ein kurzes Anschreiben von Jäger, nur wenige Zeilen. Sie nahm sie mit einem einzigen Blick in sich auf. Der Ton war neutral, sie empfand ihn beinahe als versöhnlich. Sie hatte erwartet, daß Jäger ihr den schroffen Abgang auf dem Friedhof übelnehmen würde, aber er schien nicht nachtragend zu sein. Sie hatte nicht mehr damit gerechnet, Klingenbergs Abschiedsbrief überhaupt noch zu bekommen, nicht ohne vor Jäger zu Kreuze kriechen zu müssen. Aber das war nicht nötig gewesen. Er hatte ihn ihr geschickt. Er lag vor ihr. Sie las ihn wieder und wieder, wurde nicht schlau daraus.

    Das letzte Stück
    Und wenn ich gehe
    das Leben ist leer
    zerbrochene Fiedel tönt nicht mehr
    die Saiten zerstört
    kein Klang bei dir bleibt.

    Und wenn ich gehe
    das Leben ist kalt
    müde Hure, verbraucht und alt
    aus deren Bett
    mich der Morgen vertreibt.

    Es war keine besonders gute Kopie des Abschiedsbriefs. Aber es war Klingenbergs Handschrift. Vielleicht fahriger als sonst, doch unverkennbar. Die Linien waren breit, er mußte es mit seinem Füller geschrieben haben, so wie alle seine handschriftlichen Notizen. Die Schrift war kühn und raumgreifend, die Buchstaben schnörkellos, geradlinig und sauber. So wie er selbst.
    Sie verstand nicht allzuviel von Poesie, hatte aber den Eindruck, daß es höheren Ansprüchen nicht unbedingt genügte. Er mußte bis zur Halskrause voll LSD gewesen sein, um solchen Blödsinn zu verzapfen. Ein letzter Erguß im Endzeitrausch. Jäger hatte recht. Es las sich wie die wirren, weinerlichen Töne eines Menschen, der sich so grenzenlos leid tat, daß er sich das Leben nicht mehr zumuten konnte.
    Und es war auf eine seltsame Weise anders als alles, was sie von ihm als letzte Worte erwartet hätte. Klingenberg hatte eine Ader für elegante Prosa und ansprechende Poesie gehabt. In jeder freien Minute schlug er eines von den Büchern auf, mit denen er sich ständig umgab. Er las beim zweiten Frühstück, das ihm seine Sekretärin am Schreibtisch servierte. Er ließ sich das Mittagessen ins Büro bringen und schmökerte, während er aß.
    Johanna hatte ein kleines Vermögen ausgegeben für Bücher, Novellen und Stücke, die sie ihm geschenkt hatte. Sie besuchte

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