Bankgeheimnisse
lachte, als er die Röte in ihren Wangen sah. Wenn es um viel Geld ging, blühte sie auf, als hätte man ihr ein besonderes Elixier verabreicht. Ihre Augen funkelten vor Aufregung und Erwartung, ihr Körper war gespannt wie die Sehne eines Bogens.
»Zweihundert, dreihundert... ach, verdammt, Leo, spuck es schon aus!«
»Vier Milliarden!« schrie er und schlug mit der Faust auf den Tisch.
Sie zuckte zusammen. »Du spinnst!«
»Vier. Vier, und dann neun hübsche runde Nullen!«
»Da ist was faul«, sagte sie ohne zu zögern. »Es gibt niemanden, der soviel Geld hat. Jedenfalls niemanden, der Amery heißt. Du bist einem Angeber aufgesessen. Oder einem Verrückten.«
»Traust du mir das zu?«
Sie sah ihn stumm an. Nein, sie traute es ihm nicht zu. Er war ein mit allen Wassern gewaschener Banker und Wertpapierhändler. Ein eiskalter Profi. Er spekulierte und jonglierte, er gewann und verlor. Er war abwechselnd steinreich und völlig blank und behielt dabei immer die Nerven. Er war ein Spieler, aber nicht jemand, der in einer Spielbank spielte, sondern in einer richtigen Bank. Sein Spieltisch war die große schwarze Wand in der Börse, mittags von halb elf bis halb zwei. In Gelddingen machte ihm niemand etwas vor. Er roch Geld, wenn welches da war.
»Er lebt mal hier, mal dort. Zur Zeit in Paris. War für ein paar Tage auf Urlaub in der Provence. Wir sind zwischen einem Picasso und einem Soutine ins Gespräch gekommen. Ich glaube, der Picasso war falsch. Aber dieser Mensch war echt. Feiner alter Herr. Wir gingen am Strand spazieren. Danach in ein Bistro. Dort hatten wir ein paar Pastis. Später zogen wir um, in eine nette kleine Bar.«
»Wo ihr vermutlich Champagner und Mädchen hattet.«
»Mädchen nicht. Champagner in Mengen. Er war sehr redselig. Er erzählte mir von seinem großen Haufen Geld, ich erzählte ihm von unserer wunderbaren, exklusiven kleinen Bank. Und von dir und deinen überragenden Fähigkeiten beim Stiftungsmanagement.«
»Was steht hinter ihm? Ein Firmenkonsortium?«
»Nein. Alles privates Geld.«
»Du spinnst.« Ihr Ton war ungläubig. »Hör zu, ich lese Zeitung. Ich komme herum. Ich kenne jeden hierzulande namentlich, der auch nur annähernd in die Hundert-Millionen-Region kommt. Dazu muß ich nicht mal Forbes bemühen. Du willst mir erzählen, daß hier in Europa ein Privatmann herumläuft, der vier Milliarden schwer ist, und noch nie hat man von ihm gehört? Hat er noch einen anderen Namen oder so?«
»Nein. Amery. Wie Jean Amery oder Carl Amery. Unser Mann heißt Camillus Amery.«
»Camillus. Verrückter Name.«
»Nicht verrückter als andere. Er hat hugenottische Vorfahren, sagt er. Stammt aus dem Osten, der ehemaligen DDR. Ist kurz nach dem Mauerbau irgendwie in die Fänge des Stasi geraten. Er hat ein paar Jahre im Zuchthaus gesessen, angeblich wegen Spionage. Viel hat er nicht rausgelassen, doch das scheint eine ganz dunkle Stelle in seinem Leben zu sein, sie müssen ihm übel mitgespielt haben. Irgendwann ist es ihm gelungen, da rauszukommen. Er ist dann Mitte der Sechziger über die Grenze abgehauen und nach Südamerika gegangen. Später nach Südostasien. Ist zuletzt in Indien hängengeblieben. Alles, was er angefaßt hat, ist zu Gold geworden. Ein König Midas.«
»Ich kenne ihn trotzdem nicht.«
»Du kannst unmöglich jeden Milliardär kennen. Es gibt immer noch genug schwerreiche Typen auf der Welt, die ihr Geld nicht an die große Glocke hängen. Ich gebe zu, es sind bestimmt nicht viele, vor allem nicht in dieser Größenordnung. Aber es gibt sie. Du bist erst seit zwei Jahren im Geschäft, Schätzchen. Ein Youngster. Vergiß das nicht.«
Sie schloß die Augen und versuchte, sich das viele Geld vorzustellen. »Wieviel käme davon für uns in Frage? Für eine Stiftung, meine ich.«
»Mindestens die Hälfte.«
Sie stöhnte unwillkürlich. In Leos Augen trat ein Glitzern. Sie wirkte entrückt, wie beim Liebesakt. Er beherrschte sich. »Er will sein Geld nach Deutschland zurückbringen und damit Gutes tun, vor allem in seiner alten Heimat. Unseren neuen Bundesländern.« Sie stieß die Luft aus. »Zwei Milliarden. Zwei Milliarden!«
»Du zeigst Gefühle«, bemerkte er, sie amüsiert betrachtend.
Sie überging es. »Warst du schon beim Wikinger?«
»Natürlich. Schließlich gehört ihm die Bank. Er ist der Boß. Wir machen ein Meeting, in ein paar Tagen. Er kommt auf dich zu. Wollte dich sowieso kennenlernen, hatte bloß noch keine Zeit. Die ganzen Sitzungen nach
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