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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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sollen?«
    »Brauchst du...«
    »Vergiß es«, schnitt er ihr grob das Wort ab.
    Sie schwiegen beide eine Weile. Das Flußpferd hob die Nüstern aus dem Wasser, schnaubte geräuschvoll und tauchte wieder.
    »Es schwimmt und schwimmt«, sagte sie leise. »Eine Runde nach der anderen. Stundenlang, immer im Uhrzeigersinn, immer in diesem winzigen Bassin. Das Wasser ist trüb und stinkt, aber es schwimmt immer weiter. Jahr für Jahr. Es ist immer noch dasselbe alte Vieh wie damals.«
    Sie sah ihm in die Augen. Weißt du noch, bettelte ihr Blick. Aber er wandte den Kopf zur Seite.
    »Du warst immer ganz verrückt auf dieses klobige, stumpfsinnige Biest.« In ihrer Stimme klang ein Unterton von Verzweiflung mit. Sie deutete auf einen lachenden blonden Knirps, der neben ihnen auf den Schultern eines großen Mannes hockte, die Faust in den Haarschopf vor ihm gekrallt, mit der anderen Hand ein tropfendes Eis umklammernd.
    »So hast du auch auf Papas Schultern gesessen, mit dem Eis in der Hand. Wir mußten immer sofort zum Flußpferd, ich hätte gern zuerst die Affen gesehen, aber es mußte das Flußpferd sein. Du konntest viel lauter brüllen als ich.«
    »Johanna, es hat keinen Zweck. Ich muß mein eigenes Ding machen. Du hast dein Leben, ich habe meins. Okay?«
    »Verdammt, wieso sollte das okay sein? Du bist mein Bruder!«
    Er gab keine Antwort, machte Anstalten zu gehen. Sie ging neben ihm her, fiel in Laufschritt, weil er längere Schritte machte als sie. Sie drängten sich durch Gruppen von Besuchern, die vor dem verglasten Freigehege der Menschenaffen standen. »Ich beziehe demnächst eine Zweizimmerwohnung. Mit Leo ist es aus. Du könntest...«
    Er verlangsamte seine Schritte etwas. »Ziehst du woanders hin?«
    »Nein, ich bleibe in dem Haus. Eines der Apartments wird zufällig frei. Ich habe mich schon mit der Hausverwaltung geeinigt.«
    »Gibt es diesen Italiener bei euch unten im Haus noch?«
    »Fabio?« fragte sie überrascht. »Ja, er hat immer noch das Lokal im Erdgeschoß. Ziemlich erfolgreich inzwischen. Wieso?«
    Er antwortete nicht. Bei dem Andenkenkiosk am Ausgang blieb er stehen. Er kaufte einen kleinen blauen Spielzeugfotoapparat und reichte ihn ihr. Sie starrte das Ding auf ihrer offenen Handfläche an. Man konnte einen Knopf drücken, und wenn man durch die Linse sah, tauchten dort bunte Bilder von Tieren auf, die es im Zoo gab, Affen, Raubtiere, Zebras und andere. Wenn man den Knopf niederdrückte, klickte es, und das nächste Tier sprang ins Bild. Immer weiter, bis es wieder von vorn anfing. Sie sah hoch, erwischte seinen Blick in einem Moment, als er sich unbeobachtet glaubte. Sein Gesicht wirkte nackt, kindlich, hilflos. Einen Sekundenbruchteil später trug es wieder die Maske mit den harten Linien.
    »Du weißt es noch«, flüsterte sie. In ihrem Hals spürte sie einen Kloß, aber ihre Augen blieben trocken. Sie würde nicht weinen, genausowenig wie er. Nicht hier, nicht vor anderen.
    »Ja, ich weiß es noch. Behalt es, schau hinein und denk an damals. Ich kann es nicht mehr und will’s auch nicht.« Er wandte sich entschlossen ab.
    »Warte!« Vor dem Drehkreuz holte sie ihn ein. »Hast du Klingenberg vor seinem Tod getroffen? Hat er...«
    Er schaute über die Schulter zurück. Sein Gesicht war blaß. Er sah viel älter aus als zwanzig. »Mach’s besser, Schwesterchen.«
    »Hast du ihn gesehen? War er bei dir, nachdem du rausgekommen bist? Hast du...«
    Er drehte sich um und verschwand durch das Drehkreuz aus ihrem Blickfeld.

    Später an diesem Nachmittag fuhr Johanna zum Arzt. Klingenberg war jetzt seit über einem Monat tot. Leo hatte sie an seinem Todestag vergewaltigt, obwohl er genau wußte, daß sie seit der Trennung die Pille nicht mehr nahm. Er hatte ihr außer dem Miyakekleid noch etwas anderes hinterlassen. Vor mehr als drei Wochen hätte sie ihre Periode bekommen müssen. Sie war noch nie länger als einen oder zwei Tage überfällig gewesen. Gestern hatte sie frühmorgens über ein weißes Stäbchen uriniert, es in ein Röhrchen mit einer Testflüssigkeit gesteckt und gewartet. Es hatte nicht lange gedauert, bis sie den blauen Streifen im Kontrollfeld des Röhrchens erkennen konnte.
    Positiv. Sie hatte ein hysterisches Lachen unterdrückt, weil ihr unwillkürlich die unterschiedlichen Aspekte dieses Wortes klargeworden waren. Er hatte ihr weh getan, sie vergewaltigt, und schon war sie positiv. Gewalt, Haß und Schmerzen hatten sie positiv werden lassen. Ein positives Debakel.
    Sie

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