Bankgeheimnisse
auch nur ein Wort davon wahrgenommen hatte. Ihr Körper hatte sein Recht verlangt und sie in den Schlaf gezwungen.
»Von Ihrem Job. Von dem, was Sie machen. Stiftungen.«
»Was möchten Sie hören? Die wissenschaftliche oder die populäre Version?«
»Populär. Ich bin Praktiker.«
Er untertrieb, und sie wußte es. Er war als Volkswirt fast so brillant, wie Klingenberg es gewesen war. Allerdings gab es unter allen Frankfurter Bankern kaum eine Handvoll Leute, die im Stiftungswesen auch nur den Hauch einer Ahnung hatten.
»Es gibt mehrere Arten von Stiftungen. Die unternehmenstragende Stiftung, sie soll den Fortbestand eines Familienunternehmens sichern. Kommt in reiner Form nicht so häufig vor. Dann die Familienstiftung. Soll über Generationen hinweg Familienvermögen zum Wohle der Angehörigen sichern. Ist aber steuerlich ungünstig. Familienstiftungen werden alle dreißig Jahre mit einer Ersatzerbschaftssteuer belegt. Die bekannteste Stiftungsart ist die gemeinnützige Stiftung. Förderung von Kunst, Kultur, Wissenschaft, um nur ein paar der wichtigsten Stiftungszwecke zu nennen. Diese Stiftungen sind von Steuern praktisch befreit.«
»Man kann aber mit dem Geld nicht alles machen, oder? Ich meine die Banken in ihrer Funktion als Verwalter von Stiftungsvermögen.« Es hörte sich nicht sonderlich interessiert an, und sie wünschte, er würde sie in Ruhe lassen.
»In der Tat. Alles ist gesetzlich ziemlich reglementiert und wird von den Stiftungsaufsichtsbehörden überwacht. Das Geld soll schließlich nicht verspekuliert werden, sondern vollständig dem guten Zweck dienen. Beim Portfolio-Management zum Beispiel beschränkt sich die Anlage hauptsächlich auf festverzinsliche Papiere.«
Er beobachtete ihre Hände, als sie aufzählte. »Bundes-, Länder- und Kommunalanleihen. Anleihen von Post und Bahn.«
»Industrieunternehmen?«
»Ja, sofern sie erster Güte sind. Blue Chips. Aber nur bis zu fünfundzwanzig Prozent.«
»Das läßt sich nicht umgehen, oder? Ich meine, man könnte es nicht spekulativer anlegen? Nicht ein bißchen?«
»Kommt auf die jeweilige Stiftungsaufsichtsbehörde an. Manchmal kann man da was machen. Nicht viel, aber etwas. Außerdem verdient sich die Bank bei einer Stiftung dieser Größenordnung allein durch die Verwaltungsgebühren eine goldene Nase.«
»Eine andere Sache. Was passiert, wenn die Stiftung gekündigt wird?«
»Was meinen Sie mit kündigen?« Die Stewardeß kam und bot Getränke an. Johanna nahm ein Mineralwasser.
»Wenn zum Beispiel der Stifter sein Geld wiederhaben will.«
»Das geht nicht. Es gehört ihm nicht mehr. Er hat es ja gestiftet.«
»Wem gehört es denn? Uns? Ich meine, der Bank?«
Sie fragte sich, ob er sich absichtlich dumm stellte. »Nein, der Stiftung. Sie ist eine juristische Person. Die Bank verwaltet das Vermögen, das der Stiftung gehört. Wir sorgen dafür, daß das Geld seinen Zweck erfüllt. Daß es in die zu fördernden Projekte fließt.«
»Hm. Er kann es also nicht zurückverlangen.«
»Nein. Das heißt, es kommt darauf an. Die Stiftung könnte aufgelöst werden.«
»Also kann er es wieder rückgängig machen.«
Sie trank von ihrem Wasser. Es war zu kalt, und sie versuchte, das Glas zwischen den Handflächen zu wärmen. »Es ist eine durchaus gebräuchliche Klausel in den Stiftungssatzungen, daß der Vorstand das Recht hat, die Stiftung aufzulösen. Der Stiftungsvorstand, nicht der Bankvorstand«, kam sie seiner Frage zuvor. »Normalerweise setzt sich der Stiftungsvorstand aus Bankleuten zusammen. Üblicherweise ist der Syndikus einer von ihnen. Und ich auch. Das bietet sich an, weil wir die verantwortliche Arbeit machen. Es gibt aber Fälle, in denen der Stifter satzungsmäßig festlegen läßt, daß er selbst Vorstand ist. Allerdings kommt das nur selten vor. Die meisten wollen zwar den Ruhm, aber nicht die Arbeit und die Verantwortung.«
»Aber in dem Fall könnte der Stifter die Stiftung wieder auflösen und kriegt sein Geld zurück?«
»Ja, wenn er allein Vorstand ist. Und wenn eine Klausel in der Satzung das vorsieht. Aber das passiert in der Praxis nicht. Bei der Rückübertragung würden Steuern anfallen. Schenkungssteuern in dem Fall. Die würden das Geld auffressen. Niemand wäre so verrückt. Mir ist persönlich kein einziger Fall bekannt.«
Er schien zufrieden. Seine blaßblauen Augen schlossen sich träumerisch. Sie wußte, woran er dachte. Zwei Milliarden. Das waren zweitausend Millionen. Und jede einzelne davon
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