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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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unter seiner Kontrolle.
    In Paris regnete es, die Luft war kühl. Die warmen Oktobertage waren über Nacht von einer über Europa hereinziehenden Kältefront vertrieben worden. Herbstwinde fegten Blätter über die Boulevards und Plätze. Vom Asphalt stieg ein träger Nebelschleier auf. Johanna hatte ein halbes Jahr nach ihrer Hochzeit mit Leo einige denkwürdige Apriltage in Paris verbracht. Sie erinnerte sich und stellte Vergleiche an. Lange brauchte sie nicht dafür. Paris an einem warmen Frühlingstag war zauberhaft, atemberaubend, pittoresk. Paris bei naßkaltem Herbstwetter war häßlich, laut und überfüllt.
    Sie saß im Fond des Bentley, mit dem Amerys Chauffeur sie vom Flughafen abgeholt hatte. Er war ein wortkarger, zartgliedriger Chinese, der sie mit einem Pappschild am Terminal erwartet hatte. Das Schild war fast so groß gewesen wie er selbst. Wikings Name hatte daraufgestanden. Der Chinese, der sich ihnen als Chen vorgestellt hatte, wies von Zeit zu Zeit mit monoton höflicher Stimme in fehlerfreiem Deutsch auf Sehenswürdigkeiten hin. Wiking, der neben ihm saß, stellte dazu Fragen. Johanna hörte nicht hin. Sie starrte in den strömenden Regen hinaus und sehnte sich nach Schlaf.
    Der Bentley quälte sich durch den dichten Verkehr am Gare du Nord vorbei über die Rue La Fayette. Der Regen prasselte in gleichförmigem Stakkato gegen Karosserie und Scheiben.
    »...Folies Bergère«, sagte der Chinese, monoton wie der Regen. Sie spürte, wie ihre Lider herabsanken.
    Diesmal saß Leo neben ihr. Er hatte drei, vier Versuche unternommen, eine Unterhaltung anzufangen, erinnerte sie an Einzelheiten ihrer Parisreise im vergangenen Jahr. Doch Johannas Einsilbigkeit hatte ihn rasch die Lust an nostalgischen Reminiszenzen verlieren lassen.
    Helmberg, der rechts neben ihm saß, drückte sich in seine Ecke des Fonds, so, als wollte er sich noch kleiner machen. Er war kaum größer als Johanna, etwa einssechzig. Seine Augen wirkten riesenhaft und eulenartig durch die klobige Brille. Er litt unter starkem Astigmatismus. Johanna hatte bislang nicht mehr als ein paar nichtssagende Worte mit ihm gewechselt. Sie hatten einfach nicht die gleiche Wellenlänge. Helmberg drückte sich umständlich und gestelzt aus, und man sagte ihm verschrobene Hobbys nach. Johanna konnte ihn sich gut beim Studium einer Käfersammlung oder anderer skurriler Dinge vorstellen, neben seiner pedantischen Art ein Grund, warum sie noch keinen Ansatz für eine private Unterhaltung mit ihm gefunden hatte. Auf dem Schoß hielt er seinen Aktenkoffer, dessen Griff er mit beiden Händen umklammerte. Johanna war sicher, daß er kiloweise Gesetzestexte mit sich schleppte, bei denen es sich vermutlich um Nachschlagewerke zum Stiftungsrecht handelte. Von diesem Rechtsgebiet hatte er wie die meisten Juristen soviel Ahnung wie ein Pinguin vom Fliegen. Die Expertin war sie. Sie hatte im Stiftungsrecht promoviert. Seit zwei Jahren tat sie nichts anderes, als bei betuchten Kunden Stiftungen zu akquirieren und zu betreuen. Sie kannte die Ursache von Helmbergs Nervosität. Der schwerreiche Amery würde womöglich auf die Idee kommen, seine Fragen nicht an Johanna, sondern an Helmberg zu richten. Immerhin war er seit einem runden Dutzend Jahren Chefsyndikus der Bank.
    Die folgenden Tage bedeuteten für Helmberg, ebenso wie für Leo und sie selbst, einen entscheidenden Wendepunkt in der Karriere. Gelänge es ihnen, die Stiftung für die Bank an Land zu ziehen, wäre das mehr als ein gelungener Geschäftsabschluß. Es wäre ein Erfolg, der sich für sie alle in klingender Münze auszahlen würde. Wiking hatte mit ihnen vor dem Abflug eine Unterredung in der V.I.P.-Lounge geführt. Eins Komma zwei Millionen für jeden von ihnen, bar auf ein Schweizer Nummernkonto. Beförderungen. Für Helmberg, der mit fünfundfünfzig das Ende seiner Laufbahn erreicht hatte, außerdem die konkrete Aussicht, in den Vorstand der Bank aufzurücken.
    Der Wagen rollte aus, kam zum Stehen. Johanna schrak zusammen, als unvermittelt neben ihr der Schlag aufgerissen wurde. Ein livrierter Page, fast noch ein Junge, stand vor der offenen Tür, einen riesigen Regenschirm hochhaltend. » Madame , puis-je vous aider? «
    Sie blinzelte. Ihre Augen hinter den dunklen Brillengläsern schmerzten vor Müdigkeit. Sie stieg aus und ließ sich von dem Pagen zum Eingang des Ritz bringen. Nur am Rand nahm sie wahr, daß der Chinese den Kofferraum öffnete, Gepäck herausnahm und es zwei bereitstehenden

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