Bankgeheimnisse
einen sonderbaren Gegensatz zu seinen beiden unterschiedlichen Augen, von denen eines unnatürlich hell glomm, wie flüssiges Silber. Das Gesicht des Chinesen wirkte so glatt und rund wie eine ungeprägte Münze.
Amery kniff die Augen zusammen. »Eine zusätzliche Entlohnung?«
Ernst nickte. Er stand auf und ging zum Barschrank an der Wand neben seinem Sessel. »Ja. Ich denke, daß all das Geld als Gage für Sie nicht ausreicht. Was halten Sie von einer ausgedehnten Reise als Extrabonus? Sie haben es sich wahrhaftig verdient.« Er klappte sein Sakko auf und wies auf das Handy, das er in der Innentasche trug. »Strass hat mir gestern abend und heute früh ausgiebig Ihr Loblied gesungen. Und Jorge hat mir von Ihrer grandiosen Abschiedsvorstellung am Pool erzählt.«
Amery zögerte mit seiner Antwort. Er kannte Strass gut genug. Dieser Fettsack würde niemals freiwillig etwas Gutes über ihn sagen. »Mir reicht die vereinbarte Summe vollkommen. Sie setzen mich irgendwo in einem kleinen Hafen in Südamerika ab, und wir sehen uns nie wieder. So wie wir es ausgemacht hatten.«
»Nun«, fuhr Ernst fort, als hätte Amery nichts gesagt, »damit ist unser kleines Unternehmen gesettled, wie man so schön sagt. Die junge Frau ist begeistert von Ihnen als Wohltäter der Menschheit. Sie wird unsere Stiftung mit dem erforderlichen Feuereifer verwalten, unser Geld hegen und pflegen und es in wohldosierten Happen in die richtigen Hände geben.« Er hob den Kopf, und seine Stimme schraubte sich eine Nuance höher, bekam einen fanatischen Beiklang. »Jaaa... Das Geld! Ein wahrhaft großer Augenblick!« Sein Gesicht verzog sich zu einem strahlenden Lächeln; er schenkte aus einer Flasche in zwei der bereitstehenden Gläser ein und reichte Amery eines davon. »Ich möchte einen Toast ausbringen, mein Freund. Auf unsere erfolgreiche Zusammenarbeit. Darauf, daß ich so unendlich clever war, Sie aus dem Stasi-Knast zu holen.«
»Aus dem Irrenhaus, meinen Sie wohl.«
»Na schön, aus dem Stasi-Irrenhaus also. Sie klingen bitter, Amery.« Ernst lachte auf. Amery hatte den Eindruck, daß das Kitzeln zwischen seinen Schulterblättern stärker wurde.
Ernsts Lachen ging in ein Kichern über. »Haben Sie sich eigentlich schon mal Gedanken gemacht, warum ich ausgerechnet diesen Namen für Sie ausgesucht habe? Camillus Amery?«
Amery zuckte die Achseln. »Sicher. Es ist ein Anagramm meines richtigen Namens. Mayer.«
»Sie haben natürlich recht. Mayer hört sich allzu gewöhnlich an für einen Milliardär. Aber das ist es nicht allein. Sie trinken gar nicht.« Ernst hob sein Glas und prostete ihm zu. »Auf Ihr Wohl, Amery.« Sie tranken und sahen einander an. Amery ging flüchtig durch den Kopf, daß Ernsts Lächeln zum erstenmal ehrlich wirkte.
Ernst setzte sich wieder; er hielt das Glas entspannt mit beiden Händen fest. Seine beiden Zeigefinger klickten gegeneinander. Amery bezog wieder an der Tür Stellung. Er trank langsam sein Glas leer und wartete. Stille senkte sich über den Raum. Durch die Wand der Kabine drang schwach das Geräusch der Brecher, die gegen den Schiffsleib schlugen. Amery hörte den Sekundenzeiger seiner Armbanduhr ticken.
»Nun, Amery ist nicht nur ein Anagramm von Mayer«, erklärte Ernst leutselig. Er fing an, mit seinen krallenartigen Nägeln über die Wand seines Glases zu kratzen. Amery registrierte es unbeteiligt. Eine merkwürdige Schwerelosigkeit breitete sich in ihm aus. »Es dürfte Ihrem geschulten Schauspielergehör nicht entgangen sein, daß es außerdem noch französisch klingt«, meinte Ernst freundlich. »Und es hat eine gewisse phonetische Ähnlichkeit mit einem anderen französischen Wort.«
Amery schwankte leicht. Er hielt sich am Griff der Kabinentür fest. »Was...«, begann er in verwaschenem Ton. Seine Zunge fühlte sich in seinem Mund an wie ein Fremdkörper.
»Nichts Schlimmes«, winkte Ernst ab. Seine Freundlichkeit wirkte echt, ebenso wie sein Lächeln vorhin. »Machen Sie sich keine Gedanken. Sie fühlen sich doch gut, oder? Sehen Sie nur, wie bunt alles ist. Hören Sie auch Musik? Klingenberg hat zum Schluß Musik gehört. Er war nicht nur ein Bücherfanatiker, sondern auch Musikliebhaber. Er hat sich eingebildet, in Woodstock zu sein. Er hörte Jimi Hendrix und Janis Joplin. Äußerst passend, finden Sie nicht?«
Amery ließ das Glas fallen. Es zersplitterte vor seinen Füßen zu einer glitzernden Scherbenpfütze. Er ging in die Hocke und stützte sich mit den Handflächen auf dem
Weitere Kostenlose Bücher