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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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Lust, den zahlreichen Umstehenden ein Schauspiel zu bieten. Zu oft barg sein Schlaf die Gefahr jenes tödlichen Traums, aus dem er schreiend vor Angst aufwachen würde. Seine Augen blieben an der Notierung der zuletzt gelandeten Maschine hängen. Paris. Sie war in Paris, wurde heute zurückerwartet. Während er noch überlegte, ob sie womöglich schon mit dieser Maschine kommen würde, sah er sie. Sein Herz klopfte hart gegen seine Rippen. Wie von einer unsichtbaren Hand geleitet, stand er unbeholfen auf und ging langsam auf sie zu, wobei er sich zum erstenmal in ihrer Gegenwart seiner schäbigen Aufmachung bewußt war. Er hatte frühmorgens eingekauft, über ein Dutzend Kisten hin- und hergeschleppt, und danach hatte er bis zum Umfallen in der Küche gearbeitet. Am Mittag hatte er alles stehen- und liegenlassen, um zum Flughafen zu fahren. Er war verschwitzt und unrasiert. Zu den üblichen abgewetzten Jeans trug er ausgetretene Turnschuhe und eine alte, vom häufigen Waschen verblichene Windjacke. Lediglich sein mit Kochflecken übersätes T-Shirt hatte er gegen ein frisches Hemd ausgetauscht. Er starrte Johanna an wie eine Erscheinung. Sie war trotz ihrer Blässe und offenkundigen Müdigkeit hinreißend schön. Ihr blondes Haar umrahmte in locker gefönten Wellen ihr schmales Gesicht. Sie trug ein schlichtes azurblaues Kostüm, das den Farbton ihrer Augen hervorhob. Fabio war nur wenige Meter von ihr entfernt. Er hob die Hand, wollte etwas sagen, sich bemerkbar machen. In der nächsten Sekunde blieb er wie angewurzelt stehen. Hinter Johanna erschienen die Männer, mit denen sie in Paris gewesen war. Wikings bärenhafte Gestalt. Fabio kannte ihn aus Presse und Fernsehen. Neben ihm ein schmächtiger bebrillter Typ. Und schließlich der Mann, den er fast so sehr haßte wie Ernesto, seinen Schwager. Leo Herbst. Sein Gesicht trug den üblichen Ausdruck zur Schau, eine Mischung aus Hochmut und Selbstzufriedenheit. Fabio ballte die Hände zu Fäusten, so fest, daß seine Nägel tief in sein Fleisch schnitten. Heute abend, schwor er sich. Heute abend würde sie allein sein. Er verharrte reglos und blickte Johanna und ihren Begleitern nach, bis sie im Strom der übrigen Fluggäste verschwanden. Ein Sturm von Gefühlen brodelte in ihm. Er spürte Zorn, Haß und Sehnsucht.
    »Fabio! Fabio!« Die weiche Frauenstimme hinter ihm riß ihn aus seiner Versunkenheit. Er drehte sich um. Ein strahlendes Lächeln breitete sich beim Anblick seiner Schwester auf seinem Gesicht aus, wurde zu einem übermütigen Lachen, als sie mit einem Aufschrei ihren Koffer fallen ließ, auf ihn zustürzte und beide Arme um ihn warf. Sie schluchzte unzusammenhängende Worte in seinen Kragen, umklammerte ihn mit aller Kraft. Fabio erwiderte ihre Umarmung stürmisch. Die wilden Gefühle, die ihn gerade noch zerrissen hatten, lösten sich. Er war erfüllt von Wiedersehensfreude und der tiefen Liebe, die ihn mit dieser Frau verband. Sie war ihm nach dem Tode ihrer Eltern Vater und Mutter zugleich gewesen, hatte sich seiner angenommen und ihn zu dem Menschen geformt, der er heute war.
    Sie faßte die Aufschläge seiner Jacke und schob ihn ein Stück von sich weg. »Fabio. Mein Junge. Mein lieber Junge! Ich weiß nicht, wie ich es jedesmal schaffe, so lange ohne dich zu sein!« Ihr Mascara war tränenverschmiert, und der Lippenstift war um ihren Mund verrieben wie bei einer Clownsmaske, aber für Fabio war ihr Gesicht der schönste Anblick seit langem.
    »Gina. Mein Gott, ich habe dich so vermißt«, sagte er bewegt. Er hielt sie bei den Schultern und suchte in ihren Zügen nach den Spuren der Verzweiflung, die er manchmal dort fand. Aber er sah nur reine, erwartungsvolle Freude.
    Er hob ihren Koffer auf und hakte sie unter. Auf dem Weg zum Ausgang blickte sie prüfend zu ihm auf. »Du siehst müde aus. Hast du zuviel gearbeitet?«
    »Du weißt, daß Arbeit mir nicht schadet. Ich habe schlecht geschlafen.«
    »Jetzt, wo ich da bin, wirst du früher zu Bett gehen«, sagte sie entschieden. »Ich werde dir im Forchetta helfen, so wie beim letzten Mal.«
    »Ja, du wirst mit eisernem Zepter regieren«, sagte er gutmütig. »Carlo, Giuseppe und die Mädchen laufen schon seit Tagen mit eingezogenen Köpfen herum.« Er grinste. »Aber sie freuen sich zu sehr auf deine Fettuccine, um sich krank zu melden.«
    Sie lachte mit blitzenden Augen, deren Iris einen Ton dunkler waren als das Bernsteingelb bei ihrem Bruder. Er liebte den vollen Klang ihres Lachens, die Art, wie

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