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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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beiseite. Sie war sicher, darin nichts zu finden, das nicht einen Tag warten konnte. Es gab im Augenblick nichts Dringenderes für sie als Schlaf. Sie wußte, daß sie ihre Reserven aufgezehrt hatte. Als sie zum Fenster ging, um es wieder zu schließen, spürte sie die Müdigkeit an ihren Gliedern ziehen wie ein zu schwerer Mantel. Auf dem Sessel vor den Samtportieren lag ihr aufgeklapptes Notebook. Sie hatte nach dem Spaziergang ein Schreiben in den Computer getippt, das Gerät an die Telefonbuchse angeschlossen und mit dem Trackball die Sendefunktion angeklickt. Jägers private Faxnummer hatte sich ebenso unauslöschlich in ihrem Gedächtnis eingebrannt wie alle anderen Details des Schreibens, das ihr Jäger damals gefaxt hatte.
    Während ihrer Abwesenheit hatte sie das Gerät empfangsbereit gelassen, doch Jäger hatte nicht geantwortet.
    Morgen, dachte sie. Morgen war sie wieder in Frankfurt, und bevor sie irgend etwas anderes unternahm, würde sie ihn in seinem Büro aufsuchen und nicht eher wieder gehen, bis er es ihr gesagt hatte. Sie würde nicht ruhen, bis sie es herausbekommen hatte. Sie würde jedes einzelne Buch, das am Tage von Klingenbergs Tod auf seinem Schreibtisch gelegen hatte, mit größter Aufmerksamkeit lesen. Und dann würde sie wissen, wer es getan hatte. Sie spürte mit immer stärkerer Gewißheit, daß Das letzte Stück nichts anderes war als ein Hinweis. Ein Hinweis für sie.
    Die Dreimastbark kreuzte voll aufgetakelt vor der Algarveküste. Der Himmel war bedeckt, und der Atlantik peitschte meterhohe Wellen gegen den Bug. Gischt schäumte über die Planken. Das Toppsegel schwang knatternd hin und her und wurde vom Wind herumgerissen. Die Gaffelklau hatte sich gelöst.
    Drei von den fünfzehn Matrosen, die am frühen Morgen die Takelage aufgeentert hatten, arbeiteten hoch über dem Deck, sie klebten wie große Käfer in den Wanten.
    Der Kapitän, eine große, schwankende Gestalt in Ölzeug, stand breitbeinig an Deck und gab brüllend Kommandos.
    In der Kabine des Eigners saß Ernst in einem mit dem Boden verschraubten, hochlehnigen Armsessel, die Beine übereinandergeschlagen und die Hände vor der Brust gefaltet. Seine langen Krallennägel leuchteten geisterhaft gelb im dem trüben Vormittagslicht, das durch eines der Bullaugen fiel.
    Jorge und Chen saßen an einem Tischchen an der gegenüberliegenden Wand der Kabine und spielten schweigend Karten.
    Amery stand in der Nähe der Tür, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Er hatte seine filmreife, altertümliche Kolonialstil-Kostümierung gegen legere Freizeitkleidung vertauscht. Er trug Jeans, ein hellgrünes Poloshirt und abgewetzte Turnschuhe. Seine weißen Haare waren auf Streichholzlänge gestutzt. Bevor er sich am frühen Morgen eingeschifft hatte, war er bei einem Friseur gewesen. Das hatte er gebraucht, um wieder er selbst zu werden, um die fremde Haut der Gestalt abzustreifen, die er gespielt hatte. Jetzt war er Amery, der Privatmann. Frisch, jugendlich, leger. Von dem altväterlichen, gediegenen Gehabe, das er in den letzten Wochen zur Schau getragen hatte, war nichts mehr zu spüren. Dennoch fühlte er sich zunehmend unbehaglicher. Der Wellengang brachte die Jacht zum Krängen, und eine beginnende Seekrankheit hatte einen harten Knoten in seinem Magen entstehen lassen, der durch das drückende Schweigen noch verstärkt wurde. Seit die Jacht vor einer Stunde abgelegt hatte, stand er hier in der Eignerkabine herum, ohne mehr als zwei, drei belanglose Sätze mit Ernst gewechselt zu haben. Das Gespräch zog sich schleppend und nichtssagend dahin. Amery atmete tiefer und fragte sich, warum er nicht schon längst in seine eigene Kabine gegangen war, die man für ihn hergerichtet hatte. Er räusperte sich. »Es ist alles hervorragend gelaufen. Ich war noch nie so gut«, sagte er unvermittelt in leicht herausforderndem Tonfall zu Ernst. Er sprach lauter als nötig. Seine Stimme hallte schwach in dem holzgetäfelten Raum.
    »Natürlich waren Sie gut.« In Ernsts Stimme schwang trotz der üblichen Ausdruckslosigkeit leises Amüsement mit. »Schließlich habe ich Sie engagiert.« Er neigte den Kopf und sah Amery von schräg unten an. »Ja, Sie waren gut, mein Freund. Sehr gut. Wir sollten Ihnen eine zusätzliche Entlohnung zukommen lassen, meinen Sie nicht?«
    Amery spürte ein leises Kitzeln zwischen den Schulterblättern. Er drehte sich zu Jorge und Chen um. Die beiden starrten ihn unverhohlen an. Jorges freundliches Grinsen bildete

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