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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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Portugal verloren zu haben. Er wäre nicht an Bord gegangen, wenn er nicht noch ein Reservegerät in seinem Koffer gehabt hätte.
    Amery spürte, wie der Inhalator in seine Hand gedrückt wurde. Er umkrampfte das lebensspendende Gerät. Es drohte, aus seiner blutigen Faust zu rutschen. Ernst half ihm. Er bog die zitternden Finger fest zusammen, bis sie die runde Hülse sicher umfaßten. »Ich weiß überhaupt nicht warum, aber vorhin bin ich unterbrochen worden. Ich wollte Ihnen doch gerade erklären, wie ich auf Ihren Rollennamen gekommen bin. Amery. Es hat doch unbestreitbare Ähnlichkeit mit dem Wort amère, oder nicht? Das ist französisch und heißt >bitter<. So passend.«
    Ernst schob Amerys Hand mit dem Inhalator hoch, dicht vor Amerys Mund. »Ja, so passend«, murmelte er. »Ich liebe es, wenn die Dinge so passend sind, vor allem bei Namen. Hier, inhalieren Sie, mein Freund. Holen Sie tief Luft.«
    Ameiy sog in keuchenden Atemzügen verzweifelt Luft in seine Lungen. Er würde sterben, wenn er nicht sofort inhalieren durfte. Ernst half nach, bis Amery das Mundstück zwischen den Lippen hatte. Fast liebevoll schob er Amerys Zeigefinger an die richtige Stelle, wo der Sprühstoß ausgelöst werden konnte.
    Amerys Augen quollen über. Sein Finger rutschte ab, Ernst legte ihn erneut zurecht. »Nicht doch, versuchen Sie es noch einmal, Sie müssen sich Mühe geben!« Seine Miene zeigte einen fast heiligen Eifer.
    Amery erkannte rechts und links neben ihm die Gesichter von Jorge und Chen. Sie grinsten erwartungsvoll auf ihn herab.
    Er drückte den Auslöser. Der erwartete Sprühstoß kam sofort. Er drang in seine Mundhöhle bis tief in seinen Rachen, wurde von einem kräftigen Atemzug in seine Lungen gesogen. Bittere Mandeln, dachte er flüchtig. Das hatte Ernst gemeint. Ja, es paßte natürlich. Amery starb mit einem schwachen Gefühl des Bedauerns. Nicht seinetwegen, sondern wegen der Frau. Sie war so hübsch und süß, wie eine wilde, unbeugsame Blume, über die der Sturm hinwegfegte, ohne sie brechen zu können. Er hatte seine Rolle gespielt, hatte seinen großen Auftritt gehabt, alles war wie geplant verlaufen. Doch da war dieser eine Moment gewesen, die Sekunden, in denen sie unter den tropfenden Bäumen im Bois de Boulogne gestanden hatten. Er hatte sie angesehen und sie gebeten, nicht mehr zu reden, sondern nur zu fühlen. In diesem Augenblick hatte er nicht gespielt. Er hatte es sich gestattet, die Maske für diesen Moment von seinem Gesicht zu nehmen und seine Seele zu entblößen. Er war er selbst gewesen. Er war wie sie, und sie hatte es gefühlt. Arme, schöne, wilde Blume. Ein neuer Sturm war am Florizont aufgezogen, und er würde sie vernichten. Sein Herz hörte auf zu schlagen. Sekunden später brachen seine Augen. Der Mund klaffte auf, und das Blut der durchbissenen Zunge floß in trägem, dunkelrotem Strom heraus, sickerte über Kinn und Hals.
    Ernst stand auf und wandte sich ab. »Worauf wartet ihr?« sagte er gleichmütig zu den beiden Männern, die vor der Leiche standen. »Das war seine letzte Vorstellung. Er kriegt keine Vorhänge mehr. Schafft ihn hier raus.«

9. Kapitel

    Fabio Scarlatti saß auf einem der kunstlederbespannten Sessel vor dem Ankunftsterminal im Frankfurter Flughafen und döste vor sich hin. Die Alitalia-Maschine, mit der seine Schwester kommen sollte, hatte mehr als dreißig Minuten Verspätung.
    Fabio war übernächtigt. Wie immer war er früh aufgestanden, um für das Abendessen im Forchetta einzukaufen und vorzukochen. Zudem hatte er kaum geschlafen. Seine Gedanken hatten ihn in der vergangenen Nacht nicht zur Ruhe kommen lassen. Bilder waren auf ihn eingestürmt, wie so oft in den letzten Tagen. Sie hatte vor ihm gestanden, egal ob er die Augen offen oder geschlossen hatte. Ihre zierliche Figur, ihr schmales Gesicht. Er sah das Porzellanblau ihrer Augen und schmeckte die Süße ihres Mundes, fühlte die Wärme ihrer Flaut unter seinen Händen. Sie war wie Fieber in seinem Blut.
    Die Frau, die in unregelmäßigen Abständen das Bett mit ihm teilte, hatte es gemerkt. Zu seinem großen Verdruß war er außerstande gewesen, auf ihre Zärtlichkeiten zu reagieren. Irgendwann zwischen Mitternacht und Morgengrauen war sie wortlos aufgestanden und gegangen.
    Fabio merkte, wie er in den Schlaf hinüberglitt. Er zwang sich, die Augen zu öffnen und die weißen Buchstaben auf der Tafel mit den Ankunfts- und Abflugzeiten anzustarren. Er wollte wach bleiben, denn er verspürte wenig

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