Bankgeheimnisse
zurückgelegt, im selben Tempo wie sie. Schwerelos waren sie nebeneinander her durch das Wasser geglitten, in stummem Einklang, wie am Nachmittag bei dem Spaziergang im Bois de Boulogne. Eine besondere, einvernehmliche Schwingung verband sie mit ihm. Es gab nichts zu sagen. Sie spürte, daß alle ihre Fragen in diesem Augenblick bedeutungslos waren.
Sie tauchte. Durch das Wasser erkannte sie verschwommen die Säulen, die das Becken im Schwimmbad des Ritz umgaben. An ihnen waren schalenförmige Leuchten angebracht, die das Gewölbe über ihnen in einem geheimnisvollen Licht erstrahlen ließen. Johanna durchstieß die Wasseroberfläche, atmete aus. Sie blinzelte hoch zur Galerie an der Stirnseite des Beckens, geblendet vom einfallenden Licht der gläsernen Kuppel, die sich, ebenfalls von schlanken Säulen gestützt, über dem Ruhebereich des Schwimmbades wölbte.
Leo saß dort in einem der Sessel, zusammen mit Amery und dem Leibwächter, Jorge. Sie hielten Gläser in den Händen, nippten daran, redeten. Alle drei trugen Frotteebademäntel, obwohl nur Amery im Wasser gewesen war.
Johanna ließ sich, auf dem Rücken liegend, zum Beckenrand treiben, bis sie an das geschwungene Geländer stieß. Das Wasser lief in Rinnsalen über ihre Schultern und Arme, als sie die Treppe emporstieg und sich dabei mit beiden Händen die Haare aus dem Gesicht strich. Die drei Männer hielten in ihrer Unterhaltung inne und wandten sich ihr zu, betrachteten ihre schlanke Figur in dem streng geschnittenen schwarzen Badeanzug. Johanna griff mit gleichmütiger Miene nach ihrem Bademantel, der über einem der Lehnstühle hing, und streifte ihn über. Amery erhob sich, als Johanna zu ihnen trat. Leo und Jorge beeilten sich, es ihm gleichzutun, mit einigen Sekundenbruchteilen Verspätung. Johanna unterdrückte ein Lächeln. Leo zog zwar sein besonderes Vergnügen daraus, sie mit Kleidergeschenken zu überhäufen, aber er hielt nicht viel von antiquierter Höflichkeit. Wenn Amery nicht aufgestanden wäre, hätte er es auch nicht getan.
Amery machte keine Anstalten, sich wieder hinzusetzen, als sie sich in einen der Sessel fallen ließ. Er streckte ihr die Rechte hin, die sie leicht verblüfft ergriff. Er hielt ihre Hand fest, umfaßte sie auch mit seiner Linken.
»Ich sage Ihnen jetzt adieu, mein Kind.«
»Aber...«
»Es ist alles gesagt. Jorge bringt Ihnen die Papiere, bevor wir abreisen. Wenn noch Fragen auftauchen, Strass bleibt in Paris. Er steht zu Ihrer Verfügung.«
»Und Sie?«
»Ich habe getan, was zu tun war. Jetzt sind Sie an der Reihe. Leben Sie wohl, Johanna.« Ein letzter eindringlicher Blick aus seinen gletscherblauen Augen, während er ihre Hand noch einmal drückte und sie dann losließ. Er wandte sich ohne zu zögern ab und ging. Jorge stemmte seine muskulöse Gestalt aus dem Sessel hoch und folgte ihm.
Johanna sah ihm sprachlos nach, auch noch, als er bereits hinter den Säulen verschwunden war.
Sie räusperte sich. »Ich will verdammt sein.«
Leo grinste und ließ die grünliche Flüssigkeit in seinem Longdrinkglas kreisen. »Du hattest schon immer ein Talent, dich mit bemerkenswerter Klarheit auszudrücken.«
»Das ist verrückt.« Sie schüttelte den Kopf, löste ihren Blick von den Säulen. »Ich habe ja schon viel erlebt, aber dieser Typ...«
»Was ist mit ihm?«
»Er ist... er ist was Besonderes, glaube ich. Er ist...« Ihr Gesicht verschloß sich, und sie sah ihn forschend an. »Leo, du hast ihm von mir erzählt. Warum?«
Er zuckte die Achseln. »Warum nicht? Ich sagte doch schon, wir hatten etliche Pastis, als wir zusammen in Aix waren, und dabei sind wir eben ins Gespräch gekommen. Er wollte alles über dich wissen. Jede noch so unwichtige Einzelheit. Woher du kommst, was du für ein Mensch bist. Sein gutes Recht, schließlich bist du diejenige, die sich um seine Stiftung kümmern wird. Er hatte tausend Fragen. Ich habe sie ihm beantwortet.«
»Komisch. Bei mir war er alles andere als gesprächig.«
»Wahrscheinlich habt ihr euch auch ohne Worte verstanden. Weil ihr einfach auf derselben Wellenlänge liegt.«
Sie zog die Brauen zusammen. »Wie kommst du darauf? Hat er etwas darüber gesagt?«
»Nicht nötig. Man mußte euch ja nur beim Spazierengehen und beim Schwimmen vorhin zusehen. Ein Bild seltener Eintracht.« Sie schwieg. An den verknoteten Bändern ihres Bademantels ziehend, meinte sie schließlich: »Ich glaube, wir haben’s geschafft, Leo.«
»Was meinst du damit?«
»Na, wir haben ihn am
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