Bankgeheimnisse
wie er sich mit gekreuzten Beinen neben ihr auf dem Teppich niederließ und an seinem Glas nippte. »Schmeckt genauso mies wie beim letztenmal«, befand er angewidert. »Wir sollten Carlo ein paar Drinks hochbringen lassen.«
»Fabio, es tut mir leid.«
»Was tut dir leid?«
»Das, was ich da unten im Beisein von Carlo und deiner Schwester gesagt habe. Das war nicht nett von mir.«
»Es war nicht nett von dir, daß du mir zugetraut hast, deinen Bruder zu verpfeifen.«
»Ich weiß. Das tut mir auch leid.«
»Wem hast du sonst noch davon erzählt? Ich meine, daß Micky nach Holland abhauen wollte?«
»Niemandem. Doch, warte mal, Leo habe ich es auch gesagt. Aber das will nichts heißen. Micky kann es genausogut selbst ausgeplaudert haben, zum Beispiel gegenüber irgendeinem von seinen üblen Kumpanen, absichtlich oder unabsichtlich.«
»Soll das heißen, daß du es in deinem ersten Zorn zwar mir zugetraut hast, Leo aber nicht?«
Sie antwortete nicht, sondern starrte in die Flammen. Schließlich sagte sie langsam: »Fabio, er will mich nicht sehen. Es ist genauso wie damals, als er in den Knast mußte. Ich kann nicht zu ihm. Verdammt, ich kann nicht zu ihm!«
»Das ist schlimm. Aber du bist mir noch eine Antwort schuldig. Ich hatte dir eine Frage gestellt, Johanna.«
»Himmel noch mal, mußt du darauf herumreiten? Okay, du hast ihn nicht verpfiffen, aber es ist irgendwie rausgekommen, wohin er abhauen wollte, Schluß, aus, fertig.«
»Für mich ist gar nichts fertig. Nicht nach dem, was wir heute abend getan haben.«
»Was haben wir denn getan? Du warst mit mir im Bett, oder besser, auf dem Teppich und in der Dusche. Na und? Es war gut. Es war sogar wundervoll, aber das gibt dir noch lange nicht das Recht, mich herumzukommandieren.«
Er fuhr blitzartig zu ihr herum und umfaßte ihr Kinn, bog es zu sich hoch, bis sie ihn anschaute. Sein Griff war sanft, aber sein halbnackter Körper vibrierte vor unterdrücktem Ärger, und sein dunkles Gesicht hatte einen drohenden Ausdruck. »Ich habe jetzt jedes Recht, was dich betrifft.« Seine Stimme war gefährlich leise. »Ich habe schon verdammt zu lange darauf gewartet. Du gehörst ab heute mir, Johanna. Verstehst du. Mir allein. Du solltest das besser sofort akzeptieren. Und ich habe vor, dafür zu sorgen, daß auch sämtliche Männer in deinem Leben das begreifen. Dein Mann «, er spie das Wort förmlich hervor, »zuerst. Wenn er sich noch einmal irgendwelche Rechte herausnimmt, breche ich ihm die Knochen. Du mußt ihm das nicht sagen, wenn du nicht willst. Ich übernehme das.«
Sie legte ihre Finger auf sein Handgelenk. »Ich bin niemandes Besitztum, Fabio.«
Ihre Worte erinnerten ihn an sein heutiges Gespräch mit Gina und an seine eigenen Worte, mit denen er das Verhältnis seines Schwagers zu seiner Schwester beschrieben hatte. Widerstrebend ließ er Johannas Kinn los und streichelte mit den Fingerknöcheln ihre Wange. »Ich bin Italiener«, sagte er ruhig.
Sie stellte ihr Glas beiseite und verschränkte ihre Hände vor den Knien. »Ja, ich weiß«, seufzte sie. »Du bist so, wie du bist. Sag mal, müßtest du nicht eigentlich unten bei deinen Gästen sein?«
»Nein. Ich will bei dir sein. Carlo und Gina kümmern sich um alles. Ich muß außerdem mit dir über etwas anderes reden. Dieser Abschiedsbrief, den du mir vorgestern nacht gezeigt hast — wir sollten uns darüber unterhalten.«
Ihre Augen wurden schmal. »Wo du gerade von vorgestern nacht redest — ich erinnere mich, daß da jemand in deinem Bett gelegen hat. Ich wette, sie hat auch gestern nacht wieder dringelegen. Hat das auch damit zu tun, daß du Italiener bist?«
Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das zählt nicht. Es ist vorbei. Es war schon vorher vorbei.« Plötzlich schnalzte er mit der Zunge und grinste erheitert. »Du bist eifersüchtig, principessa! «
»Das hättest du wohl gerne. Vergiß es.«
»Ich gebe zu, es würde mir gefallen. Aber gut, ich vergesse es. Reden wir lieber von dem Brief.« Er stand auf. Der Brief lag immer noch auf dem Kaminsims, an derselben Stelle, wo er ihn hingelegt hatte. Er nahm ihn und hielt ihn hoch. »Ich habe darüber nachgedacht.«
Sie winkte ab. »Ich habe auch über den Brief nachgedacht. In meiner Handtasche habe ich einen Zettel mit einer Liste von Büchern. Heute abend habe ich es nicht mehr geschafft, sie zu besorgen. Als ich bei Jäger fertig war, hatten die Läden schon zu. Die einzige Buchhandlung, die noch geöffnet hatte, war die
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