Bankgeheimnisse
loslassen!« kreischte Johanna mit überkippender Stimme. Sie trommelte mit beiden Fäusten gegen Fabios Rücken.
Er schien es nicht zu bemerken. Sein Bizeps spannte sich an, und er drückte noch fester zu. Leos Gesicht nahm die Farbe einer reifen Tomate an.
»Du bringst ihn um! Mein Gott, du bringst ihn um!«
Fabio ließ ihn los, und Leo sackte gegen die Wand, mit beiden Händen seinen Hals umfassend. Er rang nach Luft und hustete erstickt. Schließlich richtete er sich mühsam auf und wischte sich die Lippen ab. »Damit kommst du nicht durch«, keuchte er. »Glaub ja nicht, daß du damit durchkommst, Freundchen!«
»Leo, geh lieber!« bettelte Johanna ängstlich.
»Tu, was sie sagt«, befahl Fabio grollend. »Denk an deinen Arm.« Leo ging schwankend zur Wohnungstür, riß sie auf. »Johanna. Wir reden morgen in der Bank«, krächzte er, seine Kehle massierend. Fabio bewegte sich drohend auf ihn zu, doch im nächsten Augenblick ließ Leo die Tür hinter sich zuknallen.
»Was glaubst du eigentlich, wer du bist?« schrie Johanna wutentbrannt.
Fabio rieb sein Handgelenk, das Spuren von Leos Befreiungsversuchen trug.
»Ich habe dich was gefragt!«
»Und ich habe dir gesagt, daß ich ihm beibringen werde, zu wem du ab sofort gehörst«, sagte er mit grimmiger Genugtuung in der Stimme.
Sie warf die Arme in die Luft und wandte sich ab, um ins Schlafzimmer zu gehen. Er kam ihr nach. »Was hast du vor?«
»Nicht, daß es dich auch nur das geringste anginge. Aber bitte. Sperr die Ohren auf, ich will’s nur einmal sagen. Ich habe letzte Nacht kaum geschlafen. Ich habe wahnsinnig anstrengende Tage hinter mir. Mein Bruder sitzt im Knast, und man wird versuchen, ihm einen Mord anzuhängen, den ein anderer begangen hat. Ich habe mit dir geschlafen, aber ich glaube, das war ein Irrtum. Du hast gerade versucht, meinen Mann zu ermorden. Meinen Mann, von dem ich zufällig schwanger bin. Und jetzt raus, ich will schlafen.«
Er starrte sie stumm an.
»Bist du taub? Ich sagte: Raus, ich will schlafen!«
»Sag das noch mal«, flüsterte er tonlos.
»Ich möchte, daß du gehst. Ich bin müde. »
»Nein, das andere.«
»Ich glaube, du hast mich sehr gut verstanden, Fabio.«
Er stand da, als hätte sie ihn geschlagen. Die Arme hingen kraftlos an seinen Seiten herab. Er wartete schweigend, auf irgendein Wort, ein Zeichen von ihr, aber sie schlug die Augen nieder und wandte sich ab. Als sie sich nach einigen Augenblicken zu ihm umdrehte, war er gegangen. Sie knipste das Licht aus, kroch unter die Decke und weinte sich in den Schlaf.
Hilda fiel am nächsten Morgen auf, daß ihre Chefin überreichlich Make-up aufgelegt hat. Ihrem eindringlichen Blick entging nicht, daß Johanna dunkle Augenringe und geschwollene Lider zu verbergen suchte. Mit geschäftsmäßiger Miene erwiderte sie die Begrüßung und nahm die Ledermappe entgegen, die Johanna ihr reichte.
»Bitte kopieren Sie es dreimal«, sagte Johanna mit flacher Stimme. Sie stellte ihren Aktenkoffer neben Hildas Schreibtisch ab und sah den Postkorb nach wichtigen Eingängen durch. »Donnerwetter, das sieht edel aus. Sogar mit Wappen! Wie war es mit ihm?«
»Mit wem?« Johanna sortierte zwei Briefe aus, die sie noch im Laufe des Vormittags beantworten wollte.
»Na, mit ihm, mit diesem Amery. Wie ist es gelaufen? Man munkelt, daß unser oberster Chef heute morgen in blendender Laune das Haus betreten hat.«
»Man munkelt zu Recht. Sie haben den Beweis dafür gerade in der Hand.«
»Oh.« Hilda beäugte neugierig die Mappe.
»Ja, oh. Es ist absolut vertraulich zu behandeln. Legen Sie die Aktenduplikate in den Safe. Händigen Sie nur meinem Mann, Herrn Wiking, Herrn Helmberg oder deren jeweiligen persönlichen Sekretärinnen ein Exemplar aus.«
»Was ist mit dem Original? Wollen Sie damit arbeiten?«
»Nein, es kommt auch in den Safe. Ich habe den Inhalt schon heute morgen vor dem Rückflug in mein Notebook eingescannt. Noch etwas — wenn Sie die Kopien herausgeben, lassen Sie sich den Empfang bestätigen.«
»Mhm, so geheim? Was steht drin?«
»Ich hab’s selbst erst überflogen. Verschärfte Vertraulichkeit wegen der Daten über Bankverbindungen und die genauen Modalitäten des Kapitaltransfers. Das ist in dieser Phase hochsensibel, ich muß das wohl nicht erst betonen.«
Ihr letzter Satz hatte wie eine Frage geklungen, und als sie abwartend die Brauen hochzog, nickte Hilda pikiert. »Glauben Sie etwa, ich erzähle in der Kantine herum, über welche Kanäle
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