Bankgeheimnisse
Lächerlichkeit begeben, wenn ich den Kerl anzeige. Es gibt andere Möglichkeiten. Aber eins macht mir Kummer. Kannst du dir denken, wovon ich rede?« Er stand auf und kam langsam um den Schreibtisch herum.
»Nein«, sagte sie alarmiert.
Er setzte sich vor sie auf die Schreibtischkante und legte locker die Hand um ihren Hals. Sie umkrampfte mit den Fingern sein Handgelenk, um es wegzuziehen, doch in derselben Sekunde wurde sein Griff unerbittlich. »Ich glaube doch«, meinte er sanft. »Wie war er im Bett? Oder wart ihr gar nicht im Bett? Ihr habt so frisch ausgesehen, ihr beide, so, als wärt ihr gerade aus der Dusche gestiegen. Habt ihr es unter der Dusche zusammen gemacht?«
»Laß mich los.«
»Das habe ich gestern auch gesagt. Oder besser, ich wollte es sagen, aber es ging nicht. Er hat mir die Luft abgedrückt, der Scheißitaker. Ungefähr so.« Er drückte zu, bis sie nach Atem rang. Sein Gesicht war verzerrt vor Haß. »Wie war er? Hat es dir Spaß gemacht? Du hast dich wohl gegen ihn nicht gewehrt, eh?« Sie kämpfte erbittert gegen die Hand um ihre Kehle, aber er hielt sie brutal fest. Dann löste er unvermittelt seinen Griff, stand auf und ging zum Fenster. Er schob die Hände in die Hosentaschen und wippte auf den Fußballen. »Das war unhöflich von mir«, sagte er leichthin. »Ich hoffe, du siehst es mir nach. Immerhin bin ich ein gehörnter Ehemann, die neigen bekanntlich zur Gewalttätigkeit.« Sie rieb ihren Hals und starrte ihn an. »Ich schlage vor, du verschwindest jetzt aus meinem Büro.«
»Ich bin jetzt dein Vorgesetzter, hast du das vergessen?«
»Ab sofort nicht mehr. Ich habe soeben gekündigt.«
Er lachte. »Das ist nicht dein Ernst. Du möchtest doch sicher gerne in den Genuß deiner sauer verdienten Gratifikation in der Schweiz kommen, oder?«
»Nicht, wenn ich mich dafür von dir mißhandeln lassen muß.«
Er nahm die Hände aus den Taschen und setzte sich ihr erneut gegenüber. »Es tut mir leid«, sagte er ruhig. »Ehrlich, es tut mir sehr, sehr leid.« In seinen Augen glitzerte ein fanatisches Feuer, das sie veranlaßte, trotz seiner beherrschten Worte auf der Hut zu bleiben. Dennoch zuckte sie heftig zusammen, als er unerwartet mit der flachen Hand auf die Schreibtischplatte hieb.
»Was glaubst du, wie ich mich fühle?« brüllte er sie an. »Du mit diesem Scheißitaker, nackt vor dem Kamin! Du bist meine Frau!«
»Tu doch nicht so«, schrie sie zurück. »Gerade du! Wir wissen beide, daß du deine schmutzigen kleinen Affären hattest. Du hast doch schon ein paar Wochen nach unserer Hochzeitsreise damit angefangen! Die erste war deine Sekretärin.« Sie hob die Hand und unterbrach ihn, als er zu einer Entgegnung ansetzen wollte. »Erzähl mir jetzt bloß nicht, daß das nichts Ernstes war. So oder so, es ist mir ohnehin egal. Ich will meine Ruhe und sonst nichts. Kannst du das nicht endlich kapieren?«
Mit der Geschmeidigkeit einer Schlange wechselte er den Ton. »Hm, du hast natürlich recht.« Er faltete die Hände vor der Brust und schlug die Beine übereinander. »Lassen wir das Private beiseite und heben es uns für eine andere Gelegenheit auf.«
Sie sah ihn schweigend an und fragte sich, wann es passiert war. Wann aus dem smarten, sonnigen Jungen, in den sie sich vor zwei Jahren verliebt hatte, dieser sprunghafte, besessene Mann geworden war, der sie vergewaltigte und mißhandelte. Sie begriff unvermittelt, daß er unter der lackierten Fassade des erfolgreichen jungen Bankers schon immer so gewesen sein mußte. Nur daß jetzt der Lack Risse aufwies, die nicht mehr zu kitten waren. Mit seltener Bewußtseinsschärfe erkannte sie, daß ihre Beziehung unwiederbringlich vorbei war, daß sie Schluß mit allem machen mußte, was sie noch mit ihm verband. Ehe, Wohnung, Job. Unvermittelt legte sie die Hand auf ihren Unterleib und kämpfte gegen das plötzliche Schwindelgefühl. Sie blickte aus dem Fenster. Der Himmel hinter den Wolkenkratzern war schwarz. Das unentwegte Nieseln ging innerhalb von Sekunden in Platzregen über, der in Sturzbächen gegen die Scheiben schlug und eine undurchdringliche Wand bildete, die das Drinnen vom Draußen trennte. Ein Blitz ließ das wasserüberströmte Fenster grünlich aufleuchten wie das Glas eines angestrahlten Aquariums. Sekundenbruchteile später wurde die Luft von einem Donnerschlag zerrissen.
Leo sah Johannas wächserne Blässe und zeigte Anzeichen von Besorgnis. »Ist dir nicht gut? Soll ich dir ein Glas Wasser bringen lassen?«
Weitere Kostenlose Bücher