Bankster
unterdrückt und mich insgeheim dafür bedankt, dass Harpa mehr nach ihrer Mutter kommt.
Mitteilung eines unerwarteten Bedürfnisses
Ich habe das Gefühl, etwas zu bauen oder zumindest einen Gehweg aus kleinen Steinen zu legen, wenn ich Wort an Wort schreibe auf diesen tauben Linien. Ich kann nicht behaupten, dass ich sie im Hinblick auf ein Ziel, das ich im Sinn habe, zusammensetze, aber ich finde trotzdem, dass ich etwas tue, aufbaue, während das meiste um mich herum einstürzt. Ich stehe mitten in der Staubwolke, die die Katastrophe aufgewirbelt hat, beuge mich über das Notizbuch und schreibe für mich, baue aus dem Nichts, baue nichts, außer vielleicht das Gefühl, etwas zu bauen.
26.11. – Mittwoch
Gibt es eine eindeutigere Art, die Dunkelheit über uns anzuerkennen, als die Stadt einen halben Monat früher als sonst mit Weihnachtsschmuck und Lichtern auszustaffieren?
Später, nach einem tröstenden Irish Coffee.
Seitdem ich meine Sachen aufräume, das Bett mache und die Wohnung verlasse, bevor Harpa nach Hause kommt, kann man sagen, dass die Routine hypererbaulich geworden ist. Und vorhin, als ich die Kopfkissen geschüttelt, die Bettdecken glattgestrichen, die Tagesdecke darübergelegt und die Kissen in die Mitte geworfen habe, fühlte ich mich fast so, als hätte ich ein neues Leben begonnen, dieses neue Leben. Das Gefühl war wahnsinnig belebend, es hielt zwar nur einen Sekundenbruchteil an, brauchte aber ganze zehn Sekunden, bis es ganz verflogen war. Insgesamt habe ich es immerhin lange genug gespürt, um den Entschluss zu fassen, meine Bewerbung zur Post zu bringen – mit Erfolg, obwohl ich seltsam angespannt war, als die Frau am Schalter den Umschlag wog. Als hätte ich schon an Ort und Stelle mit einer Ablehnung gerechnet.
Es war klar, dass ich auf den Straßen in der Nähe der Bank bekannte Gesichter sehen würde, und als ich gerade aus der Post kam, stieß ich auf Anton. »Hi, Coozo, grüß dich …« Er war kurz zum Kaffeetrinken zu Hause gewesen. Es war schon fast halb fünf, daher tat ich so, als würde ich auf die Uhr gucken, und fragte ihn, ob er aus seinem Stadtteil Hlíðar weggezogen sei. »Nein – wo denkst du hin!« Wir gingen die wenigen Schritte bis zur Ecke zusammen. Ich meinte, dass ich ihn schon längst habe anrufen wollen, er sagte dasselbe und dass wir uns so bald wie möglich mal wieder treffen müssten, und ich sagte, dass wir das tun sollten. So läuft das: Erklärungen, ein paar Worte, um sich auf dieselbe Tonlage einzustimmen, nichts weiter. Es war so kalt, dass wir nicht stehen geblieben sind, um uns zu unterhalten.
Anton ist geradeaus weitergegangen, und ich bin auf den Austurvöllur abgebogen, habe winzige Schritte gemacht und ihm den ganzen Weg bis in den Personaleingang hinein hinterhergesehen. Als er verschwunden war, blieb ich stehen. Ich hatte ein ungutes Gefühl, nicht nur aufgrund der Kälte, eher so, als wäre ich Zeuge eines Verkehrsunfalls auf dem Bürgersteig geworden. Ich fühlte mich schwach und setzte mich ins nächste Café, saß dort und starrte mit leerem Kopf auf den Austurvöllur. Eine halbe Stunde zuvor hatte es angefangen zu dämmern, der wolkenlose Himmel wurde dunkelblau und die hellsten Sterne fingen an zu funkeln. Da sah ich, dass in den Bäumen schon Lichterketten hingen, besorgniserregend früh, fand ich. Ich bestellte einen Irish Coffee, nachdem die Kellnerin mir auf die Schulter getippt hatte, um auf sich aufmerksam zu machen.
27.11. – Donnerstag
Kurz vor Mittag rief Guðni an, um herauszufinden, ob ich mittlerweile wieder daran interessiert sei, »die Truppe zu treffen«. Ich sagte, dass ich heute nicht könne, aber sicher bald mal wieder Lust hätte. Wir haben uns kurz unterhalten. Guðni wollte wissen, ob mir eine Wiederanstellung angeboten worden sei. Ich musste verneinen. »Jæja«, sagte er. »Mir auch nicht, aber ganz ausgeschlossen ist es ja nicht.« Kurz bevor wir uns verabschiedeten, fragte er, ob ich ihn lieber allein treffen wolle, ob es mir unangenehm sei, die ganze Gruppe zu treffen. Ich meinte, dass wir ja demnächst mal einen Kaffee trinken gehen könnten.
Ich weiß nicht, warum das so ist, warum ich Guðni und die anderen am liebsten nicht sehen will. Ich empfinde es einfach als unangenehm, es erinnert mich an vieles, mit dem ich nicht zurechtkomme. Guðni ist ohnehin ein Kapitel für sich, er ist so gestrickt, dass sein Körper sein geistiges Befinden widerspiegelt. Wenn er gestresst ist, wird seine Oberlippe
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