Bankster
hättest du damals doch Isländisch studieren sollen, hier in der Stadt und in der Umgebung werden immer Lehrer gebraucht.
– Da sagst du was.
– Nein, ich rede einen verdammten Blödsinn, einfach das Erste, was mir eingefallen ist. So idiotisch, zu versuchen, im Nachhinein schlau zu sein.
– Und beschämend viele wollen jetzt im Nachhinein alles vorhergesehen haben.
– …
– Fast jeder Zweite hat das anscheinend alles kommen sehen.
– Was mich interessiert – ich bin schließlich dein Vater: Wie trifft euch das finanziell?
– Eher schlecht!
– …
– …
– Aber du scheinst darüber lachen zu können, das ist ein gutes Zeichen.
– Ich weiß nicht, was das war – mir ist nicht nach Lachen zumute.
– Verstehe, das ist unglaublich. Aber pass auf, dass du nicht kaputtgehst, mein Freund. Es kann sehr schwer sein, gebrochene Männer wieder aufzurichten.
– Ja, aber ich habe keine Ahnung – keine Ahnung, wie es weitergeht. Aber da sowieso alles zum Teufel geht, überlege ich gerade, einfach ein Video einzulegen, irgendein ganz blutiges.
– Ist Harpa nicht bei dir?
– Nein. Aber sie will nach Hause kommen, sobald sie kann.
– Ihr müsst gut zusammenhalten.
– Das machen wir, wir Eheleute.
– …
– …
– Hat sie ihren Job denn sicher?
– Diesen Ausdruck würde ich in Bezug auf Stellen im Finanzsektor heute nicht mehr verwenden.
– Nein. Aber grüß sie bitte ganz herzlich.
– Werde es ausrichten.
– Hast du es beim letzten Mal gemacht?
– Nein.
– Jæja, aber du versuchst, heute Abend daran zu denken.
– Ja.
– Und wir halten uns auf dem Laufenden.
– Klar.
– Tschüss, mein Lieber.
– Tschüss.
Neunzehn Minuten später
– Hallo.
– Hi Liebster, hier ist Mama.
– Hi.
– Ich habe mit deinem Vater gesprochen und wollte kurz einen Ton von dir hören.
– Wie gefällt dir dieser hier?
– Weiß ich nicht – noch nicht. Wie geht es dir?
– Papa hat dir wahrscheinlich schon alles gesagt.
– Ich weiß nicht.
– Wir wollen es hoffen, ich will das nicht alles noch mal erzählen.
– Das war auch nicht meine Absicht, ich wollte nur meinen Jungen hören.
– Okay.
– Und wie geht es dir?
– Normal halt, glaube ich – gemessen an allem.
– Ja?
– Betäubt und – anders kann ich das Gefühl nicht beschreiben. Das ist ein sehr unklarer Zustand.
– Gefühle, wahrscheinlich viele unterschiedliche Gefühle.
– So wird es sein.
– Und es ist wichtig, dass du ihnen Zeit gibst, bevor du wieder so viel von dir verlangst.
– Das sollte ich tun. Zeit werde ich wohl demnächst im Überfluss haben.
– Aber denk daran.
– Wie ich schon sagte.
– Gut, mein Lieber. Dein Vater hat gesagt, dass du Geldsorgen hast.
– Frag mich doch selbst, Mama.
– Hast du?
– Nein, ich denke nicht, nicht besonders. Sie sind halt Teil des Gesamtsorgenpakets. Aber jetzt mache ich mir Sorgen, weil du dich um mich sorgst. Das will ich wirklich nicht.
– Deine Mama denkt an dich, und du erlebst schlimme Dinge, natürlich werde ich unruhig.
– Trotzdem … ich komme schon zurecht, Mama.
– Das ist gut zu hören.
– …
– Aber wäre es nicht schön, Leber- und Blutwurst in den Süden zu bekommen, ein paar Würste? Es ist schon einige Jahre her, seit ich euch zuletzt was geschickt habe.
– Wir haben genug zu essen, Mama. Harpa hat noch einen guten Job und – sieh mal, wir sind nicht drauf und dran zu sterben.
– Das weiß ich, aber meinst du nicht, dass es schön wäre, für einige Mahlzeiten Blutwurst zu haben? Man kann auch Innereien bei Kerzenschein essen.
– Harpa und ich haben schon das eine oder andere Mal Pâté de Foie gras gegessen, auch bei Kerzenschein.
– Was?
– Pâté de Foie gras, Gänseleberpastete.
– Ach so. Die Aussprache war ein bisschen speziell, mein Markús. Hat sich dein Französisch schon verabschiedet?
– Es hat mich nie richtig begrüßt.
– Jæja, lass uns nicht über Französisches reden.
– Und auch nicht über Blutwurst, Mama.
– In Ordnung. Man ist einfach so durcheinander.
– Aber mach dir wegen mir keine Sorgen, mach das – auf keinen Fall. Das zieht mich dann erst recht runter.
– …
– Wie läuft es denn beim Unterricht mit den Kindern?
– Sie lernen.
– Papa meint, dass ich besser Isländisch studiert hätte. Lehrer werden anscheinend immer gebraucht.
– So ein Unsinn! Man muss immer seiner Überzeugung folgen, und das hast du gemacht und dich dabei gut angestellt. In schweren
Weitere Kostenlose Bücher