Bankster
ankam, und da war es sicher auch schon, als wir telefoniert hatten. »Das letzte neuseeländische Tier im Lande, nehme ich an. Habe es heute in der Tiefkühltruhe gefunden.« Wir beugten uns zum Ofen runter und guckten durch die Glasscheibe. Das Fleisch schmorte bei sehr geringer Hitze, und da es immer noch etwas brauchte, setzten wir uns mit einer Flasche Rotwein ins Wohnzimmer. Auf meine Nachfrage meinte Anton, dass wir nur zu zweit bleiben würden, »… wäre nicht klug, unser Treffen zu verwässern, wir müssen noch über so vieles sprechen.« Und so haben wir uns intensiv unterhalten, während der iPod wahllos Lieder abspielte.
Hochkonzentriert hat Anton dann die Sauce béarnaise zubereitet. Ich stand neben ihm, trank Bier aus der Flasche und befühlte ab und zu das Fleisch, das in der Aluverpackung abkühlte. Wir sprachen über die Reise, die wir immer machen wollten, einen alten Mustang fahren, am liebsten ein Cabrio-Modell, die ganze Route 66 entlang. Wahrscheinlich würde daraus nie etwas anderes als ein schöner Gedanke und ein bisschen Planung werden, ein paar ausgedruckte Seiten aus dem Internet mit Bildern und Links.
Das Essen war einfach. Der Neuseeländer auf einer Steinplatte mitten auf dem Küchentisch, eine Salatschüssel voller Sauce, eine Saucenschüssel mit einem Hauch Krautsalat und jede Menge australischer Rotwein. »Genug von diesem guten Zeug haben, Coozo, das war es mal, was wir beide wollten.«
Während wir uns unterhielten, dachte ich mehrfach, dass ich Anton entweder nie richtig gekannt habe oder er eine Maske getragen hat, seit ich ihn kennengelernt habe. In meinen Augen war er eine Konstante, ein bequemes Klischee, ein wohlhabender Junggeselle, der mit Gehirnzellen denkt, die in seinem Sack baumeln. Ich wusste, dass er nicht dumm ist, im Gegenteil, er war clever und vorausschauend wie ein Rabe, aber er sollte wohl einfach nicht die Fähigkeit besitzen, sich weiterzuentwickeln, nicht dazu fähig sein, genug an seiner eigenen Vorzüglichkeit zu zweifeln, um sich Fragen zu stellen, die ihn weiterbringen, er war zu keiner spürbareren Entwicklung fähig, als anzufangen, statt Mars Snickers zu essen oder Mineralwasser statt Cola zu trinken, oder damit aufzuhören, EC-Karten-Belege mit seiner Telefonnummer zu unterschreiben, wenn ihm die Verkäuferin gefiel, eine weitere Entwicklung sollte ihm wohl nicht vergönnt sein – ich weiß es nicht – doch, trotz des Altersunterschieds würde er es wohl nicht dazu kommen lassen, dass ich mir Sorgen um mich selbst mache, aber das tat er wider Erwarten doch, indem er seine Gedanken über die Vergangenheit ausdrückte, seinen Respekt vor der Zukunft, zuckersüße Sentimentalität gegenüber seiner neuen Freundin und unangenehm tiefes Verständnis dafür, dass ich den Job abgelehnt hatte.
Kurz nach dem Essen hatten wir beschlossen, Guðni anzurufen, um mal wieder was von ihm zu hören und ihn zu uns einzuladen, falls er nichts Besonderes zu tun hätte. Es war halb elf. »Der Meister war schon ein bisschen angetrunken, wir haben keinen Vorsprung«, sagte Anton nach dem kurzen Telefonat. Eine halbe Stunde später stieß Guðni mit einem strahlenden Bacchusgrinsen zu uns, unter dessen Einfluss er eine noch höhere Stimme hatte als sonst. Anton bot ihm Rotwein an, aber Guðni meinte, dass er schon genug Saft getrunken habe, und fragte, ob es nicht auch Gin gäbe, und als er Gin bekommen hatte, mäkelte er an der Musik herum – Arcade Fire – und fragte, ob nicht noch etwas anderes als diese kanadische Schmuseband im Haus sei, und bat um Johnny Cash. »Wo ist Johnny? Ich bin hier, warum ist Johnny nicht hier? Cash is king und Elvis klingeling, legt ihn auf, Jungs!« Wir gehorchten und fragten schnell, wie es ihm ergangen sei. Während er das erste Glas Gin leerte, erzählte er, wie Solveig ihn verlassen hat, es sei unglaublich schlicht gewesen, nicht wie in den Kinofilmen, wo Tränen fließen und Worte fliegen. Sie habe ihm einen so guten Grund genannt, dass es am Resultat nichts zu rütteln gab. Früher im Jahr hatte sie ihn gebeten, die Bankaktien zu verkaufen, zumindest die Hälfte … »… aber, hey, ich sehe den Boden des Glases. Das konnte man hier früher nie!« Anton ging darauf nicht ein und meinte, dass in Maßen alles gut sei. »In Maßen alles gut? Blödsinn! In Maßen ist alles gut, und dann stirbt man. Was ist daran maßvoll?! Nichts! Nein, in Unmaßen trinken, auf die Schnauze fliegen und sich dabei eine widerliche Verletzung
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