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Bankster

Bankster

Titel: Bankster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudmundson
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ich nie gemacht hatte, als noch nicht an ihr gearbeitet wurde. Die in grüne Netze gehüllten Arbeitsgerüste am Turm, ganz oben aus Holz, fast achtzig Meter hoch, und das Kreuz hoch oben über allem, brachten mich dazu, etwas zu sagen, von dem ich dachte, dass ich es nie sagen würde: »Die Hallgrímskirche ist zweifellos schön.« Harpa war nicht ganz einverstanden, sie hoffe, dass sich die Arbeiten nicht so verzögerten wie die am Nationaltheater, endlose Verzögerungen, bis man schließlich ein neues Gerüst um das alte herum bauen muss, um es wieder instand zu setzen, bevor man die eigentlichen Arbeiten am Gebäude wieder aufnehmen kann. Ich lachte und versuchte, mir ein Gerüst rund um diesen grün umhüllten Gerüstturm vorzustellen, und noch ein Gerüst darum und so weiter, bis es an der Statue von Leif Eriksson dem Glücklichen kaum noch Platz für uns beide gab. Kurz darauf haben wir uns auf den Heimweg gemacht, mit moderaten Umwegen über die Fußwege zwischen den Hinterhöfen der kleinen Häuser, die sich als unerschöpfliche Quellen für Gesprächsstoff erwiesen.

29.12. – Montag

    Sie kommen morgen, deshalb haben sie vier Tage lang nicht angerufen. So einen langen Abstand zwischen den Telefonaten hatten wir seit dem Herbst nicht mehr. Wir haben unzählige Male telefoniert, aber die meisten Telefonate waren nichts als bloß eine freie Leitung, nur pro forma, nur um eine Stimme durch diesen Tunnel zu hören, die mir bei geschlossenen Augen das Gefühl gibt, im selben Raum zu sein. Mama erzählt häufiger Neuigkeiten aus dem Dorf als Papa. Er beschäftigt sich mehr mit dem Wetter und den Schneeverhältnissen, besonders wenn er und die Männer kurz vorher auf den Schneemobilen unterwegs gewesen waren. Aber nun kommen sie morgen, und ich bezweifle nicht, dass es schwierig werden wird, in ihre Gesichter zu schauen – wenn ich ihre Gesichter sehe, wird meine jetzige Situation wohl endgültig besiegelt sein.

30.12. – Dienstag

    Endlich habe ich mal wieder richtig geschlafen. Einige Tage lang bin ich vor Müdigkeit fast gestorben, aber sobald ich im Bett lag, war sie plötzlich nicht mehr groß genug, um einschlafen zu können, erst nach ewigem Rumwälzen und selbst dann nur für einen leichten Schlaf, aus dem ich nach zwanzig Minuten wieder aufwachte. Ich weiß, dass ich so regelmäßig aufgewacht bin, weil ich mit dem Gesicht immer zur Nachttischseite lag und die leuchtenden Weckerzeiger das Erste waren, was meine Augen erfasst haben.
    Als wir gestern Abend auf dem Sofa saßen und fernsahen, hatte ich plötzlich das Gefühl, blind zu werden. In letzter Zeit habe ich öfters mal verschwommen gesehen, aber jetzt war es, als hätte jemand eine dicke Schicht Vaseline auf meine Augäpfel geschmiert. Das sagte ich Harpa und griff nach ihrem Arm, wie es wahrscheinlich ein soeben Erblindeter tun würde, und ich versuchte, ihr Gesicht zu fokussieren, während ich sagte, dass ich möglicherweise vor Müdigkeit blind würde. Es kam mir vor, als würde sie über meine Grimassen lachen: »Geh einfach früh schlafen, mein Liebster.«
    Obwohl wir ein sehr großes Ehebett haben, müsste sie wissen, dass ich zurzeit Schlafprobleme habe, sie hätte es in jedem Fall wissen müssen, aber ich war so verzweifelt, dass ich ihr dort auf dem Sofa davon erzählte, schrecklich klagte – fast so schrecklich, wie ich mich fühlte – und mich an ihre Schulter warf. Sie küsste mich, strich mir die Haare aus der Stirn und kraulte mich langsam und sanft unterm Kinn, während sie weiter fernsah. Als ich den Kopf in ihren Schoß sinken ließ, sagte sie etwas, von dem ich nur den Anfang mitbekam, die Wörter setzten sich wie kleine Wattebällchen in meine Ohren und machten sie dicht. Nach fünfzehn oder zwanzig davon hörte ich nichts mehr und hatte meinen langersehnten Schlaf gefunden.
    Wenn ich ein Buch schreiben würde, würde ich sicher, nachdem die Hauptfigur eingeschlafen ist, nicht weiterschreiben, ohne ein neues Kapitel anzufangen, jedenfalls finde ich es fragwürdig, nahtlos zu erzählen, dass Harpa mich vorhin wegen vier Spargelkonserven in den Laden geschickt hat, nachdem Mama und Papa angerufen und gesagt hatten, dass sie schon in der Stadt seien, sich noch eben bei Gurrý einrichteten und dann zu uns kommen wollten, aber da ich nur in ein Buch schreibe, schreibe ich einfach weiter, es sei denn, man liest aus diesen Zeilen mehr ein Zögern als eine Rechtfertigung heraus, was ja auch nichts anderes als ein Zögern ist. Wie

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