Bankster
telefoniert und versucht hatte, Guðni zu erreichen.
Harpa hatte viermal angerufen. Beim vierten Mal hat sie auf die Mailbox gesprochen. Ich habe mir die Nachricht dreimal angehört. Sie vermutete, dass ich das Handy vergessen habe, der Jahreswechsel sei vorüber, und sie erinnerte mich daran, dass wir in diesem Augenblick immer zusammen gewesen sind, bis auf jetzt. Dem Geräuschpegel nach war offenbar eine Wahnsinnsstimmung in Hafnarfjörður, Harpa klang frisch und fröhlich und wollte noch zu einer Party bei einer alten Freundin in der Nähe gehen, von der sie gehört hatte. Ich wollte sie anrufen, um ihr zu sagen, dass sie sich jederzeit melden könne, ich würde sie abholen, aber sie ging nicht dran.
Nachdem ich eine Nachricht hinterlassen hatte, brauchte ich frische Luft und ging auf den Balkon, aber die Luft war kein bisschen frisch. Es war so wenig windig, dass sich der Feuerwerksgeruch halten konnte, dieser salzige und rostige Geruch von verbranntem Pulver und Metall, dieser wilde Geruch, den man einmal im Jahr in sich aufsaugt und der im Mund den Geschmack von neuem Kleingeld hinterlässt. Ich leckte einmal über die Zigarre und zündete sie an. Auf der anderen Seite des Gärtchens sah man schwach erleuchtete Wohnzimmer und tanzende Schatten auf Wänden. Ich hörte Geräusche von unterschiedlichen Partys. Immer noch explodierten einzelne Feuerwerkskörper über der Stadt und hinterließen Rauchknäuel, die mehr an Blumen oder Sterne als an die Explosion selbst erinnerten, aber nur wenige. Ihr Dröhnen war so stark wie immer und ließ die Luft beben, Schlagwellen, und wie immer schloss ich heimlich die Augen und stellte mir vor, auf einem Schlachtfeld zu sein. So stand ich spät in der Nacht draußen auf dem Balkon und rauchte eine große Zigarre, ruhig wie ein Offizier, der sich nach einer Schlacht erholt. Sieg oder Niederlage? Unklar, aber ich war eindeutig ermattet nach dem Kampf.
Hatte etwa der Angriff auf den Gaza-Streifen diese Assoziation mit dem Krieg bei mir ausgelöst? Ich war plötzlich ein israelischer »Major« nach einer gelungenen Militäroperation, der sich mit einer Zigarre im Churchill-Format belohnte, aber beim Blick aufs Schlachtfeld noch unsicher war, ob er wirklich gesiegt hatte. Der Umfang der Zigarre und die Qualität des Tabaks wollten mir etwas sagen: »Sieht gut für dich aus, du bist der Sieger«, etwas in dieser Art, aber ich ahnte, dass sie nicht ehrlich waren. Und auch der Geruch in der Luft war unehrlich, der Pulvergeruch, der reine Kriegsluft geworden war, nachdem er sich mit dem Zigarrenrauch vermischt hatte. Hier ist kein Krieg, es ist vielmehr so friedlich, dass wir den größten Teil unseres Pulvers für Feuerwerke verwenden können, nur ein paar für Schüsse auf Schneehühner, Gänse, Rentiere … Und es ist so friedlich, dass man wie ein Idiot auf einem alten Schlafsofa sitzen und es sich erlauben kann, über den Krieg zu sinnieren.
01.01.
Unentschlossener Himmel. Aufgeworfenes Meer. Die Schneedecke zerfetzt und schmutzig von Ruß und Feuerwerksresten. Ein Tag der grausten Art. Ich bin mit dem Gedanken aufgewacht, dass Harpa in ihrem alten Zimmer geschlafen hat, »zu Hause«, und ich selbst auf dem Schlafsofa.
»… es war unmöglich, gestern ein Taxi zu bekommen. // Wie immer am Neujahrsmorgen. // Ja. // Deshalb habe ich dich angerufen. // Ich habe die Nachricht erst so spät abgehört, mein Liebster. // … // Es war schon fast fünf Uhr oder so. // Soll ich dich jetzt abholen? // Mama bringt mich nachher. // … // Aber du kannst gerne kommen, es gibt was zu essen und so …«
04.01. – Sonntag
Ich kann nicht weiterschreiben, bevor ich mich nicht von dem freigeschrieben habe, was am Abend vor Silvester passiert ist. Weder ich noch Anton konnten Guðni erreichen, um zu fragen, wie es ihm geht. Harpa hat heute beim Waffelessen und Kaffeetrinken bemerkt, dass mich etwas bedrückt, sie meinte, dass ich noch schweigsamer sei als sonst, und daraufhin habe ich ihr von jenem Abend erzählt. Am Ende, als Harpa die Hände vors Gesicht geschlagen hatte und den Kopf schüttelte, bemerkte ich, dass auch die feinen Damen neben uns zugehört hatten.
Kurz nachdem Mama und Papa angekommen sind, hat Anton angerufen. Er fragte, ob für mich etwas dagegen spräche, ihn abends kurz zu besuchen, wir wollten uns schon so unglaublich lange treffen und er hätte Lust zu kochen, sei aber allein. Ich meinte, dass ich ab acht Uhr frei sei.
Das Rinderfilet war noch im Ofen, als ich
Weitere Kostenlose Bücher